Es ist ein historischer Erfolg in Sachen Klimaschutz: Erstmals hat eine Richterin in Montana geurteilt, dass der US-Bundesstaat das Recht mehrere Kläger auf eine sauber und gesunde Umwelt verletzte – 16 Kinder und Jugendliche waren dazu vor Gericht gezogen. Das Urteil könnte in weiteren Prozessen Wellen schlagen. Was ist besonders an dem Verfahren "Held v. Montana"? Und was könnte auf das Urteil folgen? Der stern beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wer hat geklagt?
Insgesamt taten sich 16 Klägerinnen und Kläger zusammen, um den Bundesstaat im Westen der USA zur Rechenschaft zu ziehen. Das Besondere: Sie waren bei Einreichung der Klage zwischen 5 und 22 Jahre alt und kommen aus Familien, deren Arbeit und Kultur maßgeblich durch Extremwetterereignisse wie Dürreperioden und Waldbrände beeinflusst werden. Hauptklägerin war Rikki Held. Ihre Eltern besitzen eine Ranch auf dem Land in Montana. Sie beschrieb im Prozess, wie vor allem Hitze, Dürre und Waldbrände ihre Arbeit einschränkten. In einer besonders schlimmen Waldbrandsaison seien mehrere Oberleitungen zerstört worden, wodurch ihre Familie einen Monat lang ohne Strom gewesen sei, was zum Tod mehrerer Rinder geführt habe. "Ich erinnere mich ... Asche fiel vom Himmel, Menschen aus der Stadt wurden evakuiert", sagte sie im Zeugenstand. Ihr Motel habe die Familie für längere Zeit schließen müssen.
Sariel Sandoval, die bei Einreichung der Klage noch minderjährig war, gehört zum indigenen Stamm der Salish und Kootena. Sie sagte vor Gericht aus, dass durch weniger Schneefälle das Leben der indigenen Völker maßgeblich beeinflusst werde, da einheimische Pflanzen nicht mehr wüchsen und Rituale der Stämme nicht mehr durchgeführt werden können.
Auf welcher Grundlage wurde geklagt?
Die Verfassung Montanas gilt in den USA als eine der "grünsten" und umweltfreundlichsten des Landes. Im Gesetzestext des Bundesstaates heißt es: "Alle Menschen sind frei geboren und haben bestimmte unveräußerliche Rechte. Dazu gehören das Recht auf eine saubere und gesunde Umwelt (...)" Kernstreitpunkt im Prozess war die Verfassungskonformität der Bestimmungen des Montana Environmental Policy Act (MEPA), die es dem Staat untersagt, bei Umweltprüfungen den Ausstoß von Treibhausgasen als Kritikpunkt zu berücksichtigen.
Warum gingen Kinder gegen Montana vor?
In seinem Eröffnungsplädoyer sagte ein Anwalt der Klägerseite, in dem Prozess ginge es um "Gleichberechtigung von Kindern, und dass sie jetzt einen außergewöhnlichen Schutz vor den außergewöhnlichen Gefahren der Verschmutzung durch fossile Brennstoffe und der Klimakrise brauchen, denen ihre Landesregierung sie aussetzt." Im Laufe des Prozesses wurde vor Gericht untersucht, inwieweit Kinder und Jugendliche besonders von Folgen des Klimawandels betroffen sein könnten. Im Urteil hieß es schlussendlich, die Klägerinnen und Kläger hätten bewiesen, dass sie als junge Bevölkerung "unverhältnismäßig stark von der Verschmutzung durch fossile Brennstoffe und den Klimaauswirkungen betroffen sind". Somit bestätigte die zuständige Richterin, dass Handlungen des Staates Montana mittelbar den Kindern und Jugendlichen schaden und so nicht verfassungskonform sind.
Was bedeutet das Urteil für die Zukunft?
"Held v. Montana" ist der erste Klimaprozess, der sich auf die Verfassung eines Bundesstaates beruft und dem von einem Gericht stattgegeben wurde. Die Klage war landesweit die erste von mehreren, bei der es überhaupt zu einem Prozess kam.
Nach Informationen des "Guardian" gibt es in mehr als 150 Staaten weltweit und in mehreren US-Bundesstaaten Gesetze, die den Bürgerinnen und Bürgern das Recht auf eine gesunde Umwelt zusichern. Das Urteil könnte also Menschen aus aller Welt dazu ermutigen, gegen Länder und Bundesstaaten wegen Umweltverschmutzung zu klagen
Innerhalb der USA könnte "Held v. Montana" als Präzedenzfall für weitere Klimaprozesse gelten. Richter, die in Zukunft ähnliche Prozesse führten, blickten sehr genau darauf, was in anderen Bundesstaaten passiere, sagte ein Experte für Umweltrecht der University of California Berkley dem US-Nachrichtensender "CNN". "Das ist ein Signal für Richter in anderen Staaten, dass diese Fälle vielleicht doch nicht so abwegig sind."
Ob Prozesse dieser Art zu mehr Klimaschutz führen, ist noch unklar. Doch dass ein Gericht nun einen Bundesstaat für das Leid von Kindern und Jugendlichen durch Folgen des Klimawandels verantwortlich gemacht hat, rückt die Folgen der Erderwärmung in den Fokus der Politik. Denn die gemeinnützige Rechtskanzlei "Our Children's Trust", die die Klägerinnen und Kläger in Montana vertreten hat, führt einen weiteren Rechtsstreit mit der US-Regierung auf Bundesebene. Im Fall "Juliana v. United States" hat der Prozess allerdings noch nicht begonnen.