Coronavirus Warum die Verdopplungszeit nur noch bedingt aussagekräftig ist

Was über das Coronavirus bekannt ist - und was nicht
Was über das Coronavirus bekannt ist - und was nicht
© DPA
Sehen Sie im Video: Was aktuell über das Coronavirus bekannt ist – und was nicht.


Wie stark es sich überträgt, lässt sich bislang nicht genau feststellen. Was man weiß ist, dass sich das Virus über Tröpfchen überträgt. 
Prinzipiell nicht ausschließen will das deutsche Robert-Koch-Institut außerdem, dass man sich infiziert, wenn man eine kontaminierte Oberfläche berührt und sich dann ins Gesicht fasst. Wie häufig das Virus auf diesem Weg übertragen wird, ist aber nicht bekannt.
Infizieren können sich alle, die noch nicht immun sind. Gerade für ältere und vorerkrankte Menschen besteht die größte Gefahr, eine schwere Form der Lungenkrankheit Covid-19 zu entwickeln. Mediziner betonen außerdem, dass auch jüngere Patienten schwer krank werden können.
Wer einmal eine Infektion hinter sich gebracht hat, ist nach Annahmen des Robert-Koch-Instituts voraussichtlich für ein paar Jahre immun gegen das Virus.
Die Spannbreite der Lungenkrankheit reicht von symptomlosen Verläufen bis zu Lungenversagen und Tod. Bei rund 80 Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung aber mild bis moderat. Das ergaben Beobachtungen in der chinesischen Region um Wuhan. 
Eine Studie von englischen Forschern von Mitte März zur Sterblichkeit ergab, dass bei den 20- bis 29-Jährigen bis dahin nur 0,03 Prozent der Infizierten gestorben sind. Von den über 80-Jährigen hingegen starb etwa jeder elfte.
Einen Impfstoff gegen das Virus gibt es bisher leider nicht. Forscher erwarten ihn erst in mehreren Monaten. Viele Experten sind sich aber sicher, dass zuvor ein Medikament auf den Markt kommen wird.
Bestimmte Maßzahlen sollen die Ausbreitung des Coronavirus einschätzen helfen. Diese seien notwendig, um einschätzen zu können, "wie groß der Tsunami wird, der da auf uns zukommt", so ein Experte. Doch wie gut sind die Daten dafür derzeit?

Ob Ärzte, Politiker oder Unternehmer - im Kampf gegen die Corona-Krise sind alle auf möglichst aussagekräftige Zahlen und Trends angewiesen. Die aktuelle Datenlage - zum Beispiel zur Zahl der tatsächlich Infizierten oder zur Sterblichkeitsrate - ist aus Sicht von Experten wie dem Medizinstatistiker Gerd Antes noch viel zu dünn. Man brauche verlässliche Zahlen etwa als Planungsgrundlage, weil sonst nicht absehbar sei, "wie groß der Tsunami wird, der da auf uns zukommt", sagt der ehemalige Leiter des Deutschen Cochrane Zentrums am Uniklinikum Freiburg. Es gehe etwa um Voraussagen dazu, wie sehr die Intensivbetten ausgelastet sein werden und wie hoch der Bedarf an Beatmungsgeräten sein wird. 

Derzeit gibt es für die Tests auf Sars-CoV-2 immer noch eine sehr unterschiedliche Praxis, auch bei ähnlichen Symptomen, Herkunft aus Risikogebieten oder Kontakt mit Infizierten wird die Entscheidung für oder gegen einen Test nicht einheitlich gefällt, wie Antes sagt. Um herauszufinden, wie viele Menschen in Deutschland überhaupt infiziert sind, bräuchte es eine großangelegte Bevölkerungsstichprobe. 

Die Frage der Dunkelziffer

Erst mit testunabhängigen Studien lasse sich berechnen, wie viele Infizierte es in Deutschland tatsächlich gibt. "Sie müssen jetzt sehr schnell und mit hoher Qualität durchgeführt werden, auch wenn man dafür Millionenbeträge auf den Tisch legen muss", sagt der Wissenschaftler. Der Berliner Virologe Christian Drosten schrieb dazu vor wenigen Tagen auf Twitter: "Eine eventuelle Dunkelziffer kann man nur durch geografisch breit angelegte Untersuchungen bestimmen."

Trotz der dünnen Datenlage müssen für die Entscheidungsträger aber schon jetzt Trends gezeichnet werden. Das geschah bislang unter anderem mit der sogenannten Verdopplungszeit. Sie soll aussagen, wie viele Tage es dauert, bis sich die Zahl der nachweislich Infizierten verdoppelt hat. Die Berechnung scheint einfach, die Bedeutung der Zahl simpel - je höher, desto besser.

Verdopplungszeit bedingt aussagekräftig

Doch mathematisch gibt es Probleme: "Die Verdopplungszeit wird unter der Annahme berechnet, dass die Anzahl der bekannten Infektionen exponentiell wächst", sagt Moritz Kaßmann, Experte für Angewandte Analysis an der Universität Bielefeld. Doch die Zahl der registrierten Infizierten wächst nicht mehr exponentiell. Das liegt auch an den bestehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben. Damit verliert die Zahl ihre Aussagekraft: "Man kann deswegen keineswegs auf die Zukunft schließen, wie es der Sinn der Verdopplungszeit eigentlich ist", sagt Kaßmann.

Reproduktionsrate als Alternative

Eine Alternative zur Verdopplungszeit ist die sogenannte Reproduktionsrate. Sie sagt aus, wie viele Menschen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt. Je niedriger der Wert, desto besser. Liegt die Reproduktionsrate bei über 1, steckt ein Infizierter im Mittel mehr als einen anderen Menschen an - so erhöht sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen. Liegt die Rate unter 1, steckt ein Infizierter im Mittel weniger als einen anderen Menschen an - und die Epidemie läuft nach und nach aus. 

Die Berechnung der Reproduktionsrate ist komplex. Wissenschaftler können verschiedene Modelle wählen und müssen Parameter schätzen. "Mit verschiedenen Methoden kommt man zu verschiedenen Ergebnissen", sagt Kaßmann. Der Mathematiker empfiehlt deshalb für die Kommunikation über die Entwicklung der Corona-Fallzahlen ganz simpel die Zahl der täglichen Neuinfektionen. Der Wert sagt aus, wie viele Menschen täglich neu als Infizierte registriert wurden. Sinkt die Zahl über mehrere Tage, kann das als positiver Trend verstanden werden. 

Um Schwankungen von einzelnen Tagen oder vom Wochenende auszugleichen, wird in der Regel der Mittelwert von mehreren vergangenen Tagen berechnet. Doch egal welche Zahl man wählt, eins muss klar sein: Die Vorhersagen können immer nur so gut sein wie die Zahlen, aus denen sie berechnet wurden.

DPA
cf

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos