Ulf Dikof, 55, Leiter der Physiotherapie am Olympiastützpunkt in Hamburg, kennt alle Probleme, die der Bewegungsapparat machen kann: Rückenschmerzen, kaputte Gelenke, belastete Bänder etwa. Viele Menschen, die mit solchen Beschwerden zu ihm kommen, haben eine Operationsempfehlung ihres Arztes erhalten. Doch der Physiotherapeut ist überzeugt: Das Skalpell ist oft unnötig, die Leiden sind ohne chirurgische Eingriffe zu lindern.
Physiotherapeuten kann man sich wie die natürlichen Gegenspieler der Orthopäden vorstellen, sie haben das sozusagen mit den Muskeln gemeinsam: Agonist – Antagonist. Mit dem Unterschied, dass sie allzu oft nicht mit jenen Ärzten zusammenarbeiten, die nach einer ersten Diagnose die Patienten zu ihnen überweisen. Denn häufig kommen die Physiotherapeuten zu anderen Ergebnissen, wenn sie einen Befund am Bewegungsapparat erstellen. Oder besser gesagt: mit der Diagnose des Arztes abgleichen. Und nicht selten ist offenbar weniger mehr bei ihnen. "Von denen mit Operationsempfehlung bekomme ich 70 Prozent ohne OP wieder hin", sagt Dikof.

Tatsächlich operieren deutsche Ärzte an der Wirbelsäule zwei- mit dreimal so häufig wie ihre britischen oder französischen Kollegen. Die Eingriffe sind zwischen 2005 und 2014 einer Erhebung der AOK zufolge um gut zwei Drittel gestiegen. Dabei kann keine Rede davon sein, dass Deutschland von Bandscheibenvorfällen in epidemischen Ausmaß heimgesucht wird. Der Anstieg legt viel mehr den Verdacht nahe, dass die lukrativen Vergütungen dafür sorgen, dass die Zahl der Eingriffe steigt.

Sich selber fördern, statt Probleme auszulagern
Dabei kann sich unser Körper besser helfen, als wir glauben. Meist seien am Ende muskuläre Dysbalancen die Ursache für Beschwerden, sagt Dikof. Sein Credo: Sich selbst in der Therapie ein bisschen fordern, anstatt das Problem auszulagern, indem man sich unters Messer legt. Das sei nur bei einem echten Trauma notwendig – etwa bei einem Meniskusriss nach einem Tritt beim Fußball.

Denn jede Operation bleibt ein massiver Eingriff in das System Mensch und sie ist kostspielig. Schon deshalb lohnt es, Männern wie Dikof zuzuhören, die nicht von einer solchen OP profitieren und noch an die Selbstheilungskräfte des Menschen glauben.