Die Medikamente, die bei einer Chemotherapie zum Einsatz kommen, sind spezialisierte Killer. Die sogenannten Zytostatika greifen in den Zyklus von Zellen ein, die sich schnell und häufig teilen - in den von Krebszellen etwa. Der Nachteil: Die Medikamente können nicht zwischen gefährlichen und gesunden Zellen unterscheiden und schädigen auch normale Körperzellen. Dazu zählen die Zellen der Schleimhaut, des Knochenmarks und die der Haarwurzeln.
Patienten, die eine Chemotherapie bekommen, entwickeln deshalb häufig schwere Nebenwirkungen: Sie haben keinen Hunger mehr, müssen erbrechen, leiden unter Blutarmut und Gerinnungsstörungen. Zu den körperlichen Beschwerden verändert sich meist auch das Erscheinungsbild der Betroffenen: Ihnen fallen die Haare aus, manchmal sogar die Augenbrauen und Wimpern, was den Leidensdruck erhöht und eine enorme psychische Belastung darstellt.
Kältehauben sollen Haarausfall verringern
Diesen Patienten könnten künftig spezielle Kühlkappen helfen - sie sollen den Haarausfall während einer Krebstherapie deutlich reduzieren. An der #link;http://www.mh-hannover.de/;Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)# wird das System mit Kühlkappen aus Silikon seit einem Jahr erprobt. "Wir waren äußerst skeptisch, sind aber verblüfft über die Ergebnisse", sagt die stellvertretende Direktorin der Frauenklinik, Tjoung-Won Park-Simon. Bisher hätten 19 Brustkrebs-Patientinnen eine Chemotherapie mit begleitender Kopfkühlung abgeschlossen.
Eine davon ist Sabine G. Bei ihr wurde im vergangenen September Brustkrebs diagnostiziert. Die 48-Jährige wollte das Kühlverfahren sofort ausprobieren. "Die erste Frage in einer solchen Situation ist natürlich: Werde ich wieder gesund? Aber schon die zweite war bei mir: Kann ich meine Haare behalten?", sagte die Patientin aus Hannover. "Bei mir hat es gut funktioniert. Mein Haar wurde zwar dünner, aber ich habe nie einen Hut oder ein Kopftuch gebraucht."
Allerdings ist der Effekt bei manchen Frauen schwächer, zudem wirkt das Verfahren nicht bei allen Tumorarten. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg erkundigen sich viele Patientinnen vor einer Chemotherapie, was sich gegen Haarausfall tun lässt. "Die Kältehauben verschiedener Hersteller gibt es schon länger", sagt Birgit Hiller vom KID. "Bisher konnte aber nicht sicher belegt werden, dass die Kühlung Haarausfall zuverlässig bei allen oder zumindest vielen Patienten verhindert." Es gebe aber Hinweise darauf, dass sie zumindest bei einigen Menschen etwas nützt.
"Es hat mir Stärke verliehen."
Wesentlicher Bestandteil des Gerätes ist eine Silikonkappe, welche die Patientin während der Infusion der Chemotherapie trägt. Mit Hilfe der Kappe wird die Kopfhaut sensorgesteuert auf drei bis fünf Grad Celsius heruntergekühlt. Dadurch verengen sich die örtlichen Blutgefäße, das Medikament kommt lokal nicht so gut an, wodurch die Haarwurzeln geschont werden.
Bisher deutet Experten zufolge kaum etwas darauf hin, dass sich Patientinnen mit den Kühlhauben schaden könnten. Einige klagen über Kopfschmerzen aufgrund der Kälte. Sabine G. empfand es als Riesen-Gewinn, dass sie ihre Haare behielt und man ihr den Krebs nicht ansah. "Es hat mir Stärke verliehen. Ich konnte selbst entscheiden, mit wem ich über die Krankheit spreche."
An der MHH hatten etwa 70 Prozent der Krebspatientinnen Interesse an dem Verfahren. Auch ohne Kühlung wachsen die Haare nach einer Chemo in jedem Fall wieder nach. Für die Zwischenzeit übernehmen die Krankenversicherungen Kosten für eine Perücke. Die Kosten von 85 Euro pro Kühlanwendung erstatten sie hingegen nicht.