Medizin-Nobelpreis für Deutschland Einsame Spitze

Von Kai Lennart Kupferschmidt
Die höchste wissenschaftliche Auszeichnung geht in diesem Jahr an einen Deutschen. Ist im heimischen Forschungsland also alles bestens? Der Medizin-Nobelpreis für Harald zur Hausen zeigt zumindest: Spitzenforschung findet nicht an den Universitäten statt.

Wieder haben deutsche Forscher Grund zur Freude. 13 Jahre ist es her, dass der Nobelpreis für Medizin nach Deutschland ging. Damals bekam ihn Christiane Nüsslein-Vollhard für ihre Arbeiten zur genetischen Kontrolle der Embryo-Entwicklung. Nun ist mit Harald zur Hausen erneut ein Deutscher geehrt worden und das, nachdem im vergangenen Jahr bereits Deutsche mit den Nobelpreisen für Chemie und Physik ausgezeichnet wurden. In nur zwei Jahren hat Deutschland also alle drei Nobelpreise in den Naturwissenschaften erhalten. Für die deutsche Forschungslandschaft der Nachkriegszeit ist das praktisch unerhört.

Seit Jahren wird der "Braindrain" in Deutschland bejammert, die junge Elite würde zum Forschen in die USA oder nach Großbritannien gehen, deutsche Universitäten seien international kaum konkurrenzfähig. Nun wird die Politik wieder auf den frisch gekürten Nobelpreisträger zur Hausen zeigen und sagen: Seht her, Deutschland ist eben doch internationale Spitze.

Dabei wird eines gerne vergessen: Die Entdeckung, für die zur Hausen nun geehrt wurde, liegt mehr als 20 Jahre zurück. Über den Forschungsstandort Deutschland im Jahr 2008 sagt der Gewinn also nicht allzu viel aus. Dennoch stimmt es, dass die deutsche Forschung besser ist als ihr Ruf im eigenen Land. Deutsche Forscher mischen ganze vorne mit, wenn es um Aufsehen erregende Ergebnisse und hochkarätige Publikationen geht. Aber eben nur eine bestimmte Gruppe.

Spitzen-Forschung findet außerhalb der Unis statt

Während sich ganz Deutschland über den Nobelpreis freut, freut sich eine Einrichtung nämlich ganz besonders: Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg, das zur Hausen viele Jahre lang geleitet hat. Das ist bezeichnend. Weder der frisch geehrte zur Hausen noch die beiden Gewinner des vergangenen Jahres forschen an einer Universität. Zur Hausen und Grünberg arbeiten bei der Helmholtz-Gemeinschaft, zur der auch das DKFZ gehört. Gerhard Ertl bei der Max-Planck-Gesellschaft. Deutsche Forschung ist internationale Spitze, aber sie findet eben nicht an den Universitäten statt. Denn dort steht viel weniger Geld zur Verfügung.

Die Entscheidung des Nobelpreis-Komitees ist aber aus einem weiteren Grund bezeichnend: Sie ehrt eine wissenschaftliche Leistung, die seit kurzem in der Pharmaindustrie angelangt ist. Zur Hausens Entdeckung, dass humane Papillom-Viren (HPV) Gebärmutterhals-Krebs verursachen, hat Früchte getragen: Seit 2006 ist ein Impfstoff auf dem Markt, der junge Frauen vor einer Infektion und somit vor einer späteren Krebserkrankung schützen soll. Das ist nicht unproblematisch für die Auguren in Stockholm - die Öffentlichkeit wird die Auszeichnung auch als eine Unterstützung der Impfkampagne verstehen. Die Hersteller des Impfstoffes jedenfalls werden die Entscheidung werbewirksam zu nutzen wissen.

Es ist aber gerade für Deutschland ein richtiges und wichtiges Zeichen, Grundlagenforschung zu ehren, die ihren Weg in die klinische Anwendung gefunden hat. Denn wer diesen Schritt in Deutschland versucht, der steht häufig sehr einsam da.

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