Mehr Behandlungsfehler Kassen beklagen Ärztepfusch

  • von Martina Janning
Zwei Drittel aller Behandlungsfehler passieren in Krankenhäusern
Zwei Drittel aller Behandlungsfehler passieren in Krankenhäusern
© Colourbox
Ärztliche Kunstfehler sind keine Einzelfälle. 2011 stieg die Zahl der Behandlungsfehler deutlich. Laut Medizinischem Dienst der Krankenkassen pfuschen Orthopäden und Chirurgen besonders häufig.

Der kleine Jeremy war zwei Jahre, als seine Eltern ihn mit 40 Grad Fieber in eine Notfallpraxis brachten. Der diensthabende Kinderarzt diagnostizierte statt einer Hirnhautentzündung einen harmlosen Magen-Darm-Infekt. Ein folgenreicher Fehler. Der Junge fiel ins Koma, zwei Monate kämpften Ärzte um sein Leben. Um ihn zu retten, mussten Beine und Fingerglieder an beiden Händen amputiert werden. Ein Behandlungsfehler, entschied das Landgericht Kiel Ende August und verurteilte den Arzt zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Höhe steht noch nicht fest.

Behandlungsfehler wie bei Jeremy sind keine Einzelfälle. Allein im Jahr 2011 bestätigte sich fast jeder dritte Vorwurf eines Behandlungsfehlers, den die Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) prüften. Dies bedeutet einen deutlichen Anstieg gegenüber dem vorigen Fehlerbericht, für den der MDK im zweiten Halbjahr 2010 rund 6300 Behandlungsfehler begutachtet hatte. Hier bestätigte sich nur jeder fünfte Fall als ärztlicher Kunstfehler.

Insgesamt begutachtete der MDK 2011 knapp 12.690 Fälle, mit denen Patienten sich an ihre Krankenkasse gewandt hatten, und stellte rund 4070 Behandlungsfehler in Kliniken und Arztpraxen fest, berichtete der MDK am Mittwoch in Berlin. In drei von vier bestätigten Fällen führte der Behandlungsfehler zu einem gesundheitlichen Schaden.

Orthopäden und Chirurgen besonders oft unter Verdacht

Zwei Drittel der Vorwürfe wegen Behandlungsfehler im Jahr 2011 richteten sich gegen Krankenhäuser, rund ein Drittel gegen Ärzte in eigener Praxis. Die meisten Fehler passieren Ärzten laut MDK bei therapeutischen Eingriffen. "Nach unserer Erfahrung kommt es bei einer erheblichen Zahl von Behandlungsfehlern zu einer Verkettung von Versäumnissen", erläuterte Astrid Zobel vom MDK Bayern. Die meisten Fehler unterliefen Medizinern beim Behandeln von Kniegelenks- und Hüftgelenksarthrose, gefolgt von der Therapie von Zahnkaries. Am häufigsten traf Orthopäden und Chirurgen der Verdacht, bei der Behandlung etwas falsch gemacht zu haben.

Hohe Dunkelziffer bei ärztlichen Kunstfehlern

Wie viele Kunstfehler den Ärzten insgesamt in Deutschland unterlaufen, lässt sich nicht sagen. Sie werden nicht zentral erfasst. Außer an den MDK können geschädigte Patienten sich auch an die Schlichtungskommissionen der Ärztekammern wenden oder den Mediziner direkt verklagen. Die Ärztekammern beschäftigten sich 2011 mit 11.100 Fällen, in 2287 bestätigte sich der Fehlerverdacht zweifelsfrei. Das waren 88 Fälle mehr als 2010. Für 99 Patienten endete der Ärztepfusch tödlich. Schätzungen zufolge beanstanden insgesamt rund 40.000 Versicherte jedes Jahr eine Behandlung bei Ärztestellen, Krankenkassen und Gerichten. Die Dunkelziffer bei Behandlungsfehlern ist hoch.

Um die Rechte der Patienten zu stärken, hat das Bundeskabinett im Mai das sogenannte Patientenrechtegesetz beschlossen. Demnach soll der Arzt künftig beweisen müssen, dass ein Schaden nicht von einem Fehler herrührt. Bislang muss der Patient den Beweis erbringen.

Von Martina Janning, mit DPA

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