Neurologie Therapeut auf vier Beinen

Auf der Neurologiestation des Uniklinikums Bremen leistet ein ungewöhnlicher Therapeut seinen Dienst: Pelle, drei Jahre alt, ist ein Rauhaardackel und von Kollegen und Patienten hochgeschätzt.

Als die Tür aufgeht und der kleine Hund auf den Mann zuläuft, fängt dessen Gesicht an zu strahlen. Sagen kann der Mann nichts. Auch nicht aufstehen. Er sitzt im Rollstuhl, gelähmt. Der Hund schnuppert an der Hand des Patienten, in der Kanülen mit dünnen Schläuchen stecken, die an verschiedene Apparate angeschlossen sind. Der Mann lächelt immer noch. Es ist eine der wenigen Regungen, die seine Muskeln ihm zur Zeit erlauben.

Pelle wird jedes Mal gründlich untersucht

"Hallo, mein Name ist Pelle und ich therapiere auch hier", steht auf dem Schild an der gläsernen Eingangstür der Neurologiestation des Klinikums Bremen-Ost. Seit zwei Monaten ist der dreijährige Rauhaardackel zwei Mal wöchentlich mit der Physiotherapeutin Birte Westerkamp auf der Station im Einsatz. Vorher wird er jedes Mal gründlich auf Flöhe, Zecken und Schmutz untersucht. "Hygiene spielt schließlich eine große Rolle im Krankenhaus", sagt Westerkamp.

Eine große Rolle spielt auch Pelle mittlerweile - bei den Patienten ebenso wie bei den Ärzten und Schwestern. "Pelle erfährt extreme Unterstützung auf der ganzen Station", sagt Oberarzt Markus Ebke. "Durch den Hund werden die Patienten unglaublich motiviert." Das kann Therapeutin Westerkamp bestätigen. Sie berichtet von einem jungen Mann, der nach längerer Therapie die Lust an den täglichen Übungen verloren hatte. "Aber als ich mit Pelle zu ihm kam, wollte er auf einmal doch wieder mitmachen."

Auf der Neurologiestation heißt es Pelle statt Flipper

Auf die Idee, sich mit ihrem Dackel zu einem "Therapiehundeteam" ausbilden zu lassen, ist die 33-Jährige durch ihr Interesse an der so genannten "Delfintherapie" gekommen. Bei der kommen Patienten mit Delfinen in Berührung, was die Genesung beschleunigen soll. "Aber Delfine sind hier ja nun einmal nicht so weit verbreitet", sagt Westerkamp lachend. Also heißt es für die Patienten auf der Neurologiestation: Pelle statt Flipper.

Ausgebildet wurden der Dackel und sein Frauchen von Ines Pawlitzki, der Vorsitzenden des Deutschen Berufsverbands für Therapie- und Behindertenbegleithunde (DBTB). Rund ein Jahr dauert es, bis Hund und Halter für den Einsatz in Krankenhäusern, Behinderteneinrichtungen oder Pflegeheimen fit sind. Grundsätzlich kann fast jeder Hund dafür ausgebildet werden. "Die Tiere müssen vor allem gesund, lernfreudig und menschenbezogen sein", sagt Pawlitzki.

Pelle darf sich nicht aus der Ruhe bringen lassen

Diese Voraussetzungen hat Pelle von Geburt an mitgebracht. "Er ist überhaupt nicht biestig", sagt Westerkamp. Das darf er auch nicht sein im Umgang mit den Patienten. Die müssen nach durch Schlaganfällen oder Hirnblutungen ausgelösten Lähmungen alltägliche Bewegungsabläufe wieder neu erlernen. Pelle darf sich dann von unsicheren Bewegungen oder etwas ruppigeren Streicheleinheiten nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Der gelähmte Patient muss das Streicheln erst wieder lernen. Therapeutin Westerkamp nimmt seine Hand und streichelt mit ihr über den Rücken des Hundes, der ganz ruhig neben dem Mann liegt. Hinterher gibt es für Pelle ein "Leckerli". Auch Therapeutin Westerkamp wird für ihre Arbeit belohnt - durch ein Lächeln des Patienten.

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Nadine Behrens/DPA

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