Oben ohne Der Augenblick zählt

  • von Uta Melle
Seit der Tod seinen Schrecken verloren hat, genießt Uta Melle ihr Leben mehr denn je. Sie hat keine Angst mehr vor dem, was kommen wird - ihre Trauer hat sie stark gemacht.

Ich stehe morgens auf und bemühe mich nach Kräften - alles andere ist unwichtig. Was gestern war oder morgen sein wird, ließ mich früher nicht einschlafen. Während der Krankheit, lange noch danach, habe ich mich dem Tag nicht stellen können oder wollen.

Ich verkroch mich auf mein Hochbett, meinem Zufluchtsort vor allem. Ich bellte die gerade noch zur Kommunikation mit der Familie nötigen Anweisungen runter. Ich wollte mein Leid nicht teilen, wollte mich meinen Ängsten vor Morgen und dem gelebten Gestern nicht stellen.

Das hat sich verändert: Gestern ist passé, über die Zukunft weiß ich jetzt nur, dass sie anders sein wird. Das ist doch wunderbar. Es gibt noch so viel zu sehen, zu erleben, zu entdecken, zu leben. Ich komme jetzt besser aus dem Bett, jeder Tag hat etwas zu bieten.

Seitdem der Tod sein Grauen verloren hat, ist das Leben sehr entspannt geworden. Meine größte Angst ist, dass immer alles so bleibt, wie es ist – auch Schönes muß sich verändern, sonst wird es Alltäglich. Neues kommt hinzu, anderes geht. Wenn alte Horizonte vernebeln, drehe ich mich um und suche den neuen Horizont. Diese Lebenseinstellung hat mir bei der Verarbeitung meines Brustkrebses und der damit einhergehenden Veränderungen sehr geholfen.

Man kann nicht sagen, dass der Krebs mich noch weicher gemacht hat – ich hatte schon immer ein sonniges Gemüt. In vielen Dingen bin ich sogar härter, unerbittlicher geworden – zum Beispiel wenn jemand mit seinem Leben leichtsinnig umgeht: Fahrradfahrer im Dunkeln ohne Licht mit Kindern ohne Helm hintendrauf werden von mir teilweise angemault. Früher hätte ich das nicht gemacht. Hier hat sich meine Gelassenheit eher in Richtung 0 verändert! Daran muß ich arbeiten

Veränderungen kann ich dagegen nun also viel besser akzeptieren. Trauer hat sich auch verändert:

Ich blicke nicht mehr schmerzhaft oder sehnsuchtsvoll auf das Verlorene zurück – die Sichtweise ist nun liebevoll, ich denke unbeschwert voller Dankbarkeit an die schönen vergangenen Momente, die ich erleben durfte. Auch durch Trauer kann man wachsen.

Die Herausforderung ist, mit der Welt, wie sie ist, nicht nur zurechtzukommen, sondern auch an ihr zu wachsen. Schafft man dies, hat man im Leben echt etwas erreicht!

So bin ich dankbar für jeden Tag, den ich genießen darf und sehe dies mehr denn je als echte Luxussituation an, denn wie heißt es schön im Film „The Best Exotic Marrigold Hotel“?

„Am Ende wird alles gut – und wenn nicht alles gut ist, ist es auch nicht das Ende“

An dieser Stelle hat unsere Redaktion Inhalte von Youtube integriert.
Aufgrund Ihrer Datenschutz-Einstellungen wurden diese Inhalte nicht geladen, um Ihre Privatsphäre zu schützen.

PRODUKTE & TIPPS