Warum heißt der Stollen überhaupt Stollen?
Woher der Begriff stammt, ist nicht ganz klar: Es gibt eine Vermutung, dass "Stollen" sich vom germanischen Wort "stulno" ableitet, was so etwas wie "mächtig" oder "groß" bedeutet. Aus dem Indogermanischen wiederum kennt man das Wort "sthūlnā" für "Säule" – verwandt mit dem altgriechischen "στήλη" für Stele, Säule oder einen aufrecht stehenden Monolith, woran die Form des Stollens zumindest grob erinnert.
Eine andere Theorie bringt den gebackenen Stollen mit dem Bergbau und dem althochdeutschen "stollo" in Verbindung, womit ein Pfosten oder eine Stütze beschrieben wird. Vermutlich eher ins Reich der Legenden gehört die Vorstellung, dass Bergleute das Stollengebäck gern unter Tage bei der Arbeit verzehrten – also im gleichnamigen: Stollen.
Was soll der Christstollen symbolisieren?
Der Christstollen mit seiner Puderzuckerkruste soll an den Körper des in weiße Windeln gewickelten Jesuskindes erinnern. Es zählt zu den sogenannten Gebildebroten, ist also ein Gebäck, das zu einer Figur geformt wird und eine besondere Bedeutung im christlichen Kirchenjahr hat. Dazu zählen zum Beispiel auch die Hefe-Weckmänner, die an Sankt Martin gebacken werden, oder der Oster-Hefezopf, dessen drei miteinander verflochtene Stränge die Verbindung von Vater, Sohn und Heiligem Geist symbolisieren.
Woher stammt die Tradition des Christstollen-Backens?
Auch wenn heute meist Dresden als Hauptstadt des Stollen-Bäckerhandwerks gilt, wurde ein Gebäck namens Stollen im 14. Jahrhundert erstmals in Naumburg an der Saale in Sachsen-Anhalt erwähnt. Dort gewährte Bischof Heinrich I. von Grünberg den ansässigen Bäckern im Jahr 1329 das Innungsprivileg, also eine Art Monopol, ihr Handwerk exklusiv in der Region ausüben zu dürfen. Im Gegenzug mussten die Bäcker Geldabgaben an den Bischof leisten und ihm jedes Jahr zu Heiligabend "zwey lange weyssene Brothe, die man Stollen nennet" liefern, aus vielen Kilogramm Mehl. So steht es in der Urkunde zum Naumburger Innungsprivileg, die im Stadtarchiv aufbewahrt wird. Dabei handelte es sich wohl eher um helle Weizenbrote als um süße Kuchen – doch schon das galt im Hochmittelalter bereits als Luxus.
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Die Idee, den Stollen mit Nüssen und Früchten zu versüßen, soll später ein Bäcker aus Torgau in Nordsachsen gehabt haben. Die Bäcker aus dem mittelsächsischen Siebenlehn wiederum rühmen sich, das "Christbrot", also den eigentlichen Stollen, erfunden zu haben. Von dort sollen das Gebäck und sein Rezept im 17. Jahrhundert nach Meißen und Dresden gelangt sein.
Wie viel Butter enthält ein Stollen?
Gemeinsam dürfte allen Stollen sein, dass sie auf einem schweren, saftigen Hefeteig mit reichlich Butter basieren. Ein original Dresdner Christstollen enthält besonders viel Butter, nämlich 50 Prozent bezogen auf die Mehlmenge. Bei anderen Stollen sind es zum Beispiel 30 Prozent Butter. Das war allerdings nicht immer so: Im späten Mittelalter dürfte der Stollen noch ein ziemlich dröges, trostloses Gebäck gewesen sein, denn Zucker war unbezahlbar, und die Verwendung von Butter verstieß gegen die kirchlichen Fastenregeln in der Adventszeit. Erst 1491 verfügte Papst Innozenz VIII. in einem päpstlichen Dekret – im Volksmund "Butterbrief" genannt, dass man fürderhin auch Butter in den Stollen mengen dürfe.
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Welche Zutaten gehören sonst noch in den Stollen?
Heute ist der Stollen als süßer, fettiger Kuchen etabliert, der in vielen Varianten gebacken wird. Typisch für die klassische Dresdner Rezeptur sind neben Mehl, Hefe, Zucker und Butter noch Mandeln, in Rum eingelegte Rosinen, Orangeat und Zitronat, sowie Gewürze. Es gibt aber auch Stollen mit Marzipanfüllung, Mandelstollen ohne Rosinen, Mohn-, Quark- und sogar Schokoladenstollen. Ein besonderes Rezept hält die Stollenhochburg Naumburg an der Saale bereit: Dort bäckt man den Stollen nicht mit Rosinen, sondern mit getrockneten Kirschen, Kirschwasser und Dinkelmehl.
Wie wurde Dresden zur Christstollen-Hauptstadt?
Jedenfalls nicht ohne Widerstand: Um die Stollenbäckerei gab es im 17. Jahrhundert erbitterten Streit in Sachsen. Damals entstand die Tradition, dass die Bäcker aus dem sächsischen Siebenlehn den Dresdner Adeligen und Ratsherrn in der Weihnachtszeit Stollen schenkten, um in deren Gunst aufzusteigen. Diese Konkurrenz passte aber den Bäckern aus dem nahen Meißen nicht, die sich 1615 gewaltsam im "Stollenkrieg" gegen die Siebenlehner zur Wehr setzten.
Ungefähr zur Zeit des 30-jährigen Krieges (1618 bis 1648) soll dann das Stollen-Rezept zu Bäckereien nach Dresden gelangt sein – wo Kurfürst Johann Georg II. von Sachsen den Bäckern seiner Stadt das Monopol verlieh, ihn und den kurfürstlichen Hof exklusiv mit Stollen versorgen zu dürfen. Das ging so weit, dass Bäcker von auswärts während des Dresdner "Striezelmarktes" in der Adventszeit die Stadt Dresden nicht einmal mehr betreten durften.
Wer stellte den ersten Stollenrekord auf?
August der Starke, Kurfürst von Sachsen, ließ im Jahr 1730 das wohl größte und prunkvollste Sommerfest der Barockzeit feiern. Über mehrere Tage lagerten sein Hofstaat, europäische Fürsten und Zehntausende Soldaten auf Feldern in der Nähe des sächsischen Ortes Zeithain. Denn eigentlich handelte es sich bei diesem "Zeithainer Lustlager" um eine pompöse Truppenschau, die unter anderem den preußischen König Friedrich Wilhelm I. beeindrucken sollte, damit er sich militärisch mit Sachsen-Polen verbünde, was allerdings wenig erfolgreich war.
Bei dem Fest wurde als ein Höhepunkt der bis dato größte Stollen der Welt gebacken: Das knapp zwei Tonnen schwere und etwa sieben Meter lange Gebäck wurde in einem eigens dafür errichteten Riesenofen gebacken und von einem achtspännigen Pferdefuhrwerk vorgefahren. Noch heute erinnert man beim Dresdner Stollenfest an diesen Rekord – allerdings nicht im Frühsommer, sondern in der Adventszeit.
Was macht einen "Dresdener Christstollen" aus?
Ein solcher Stollen muss besonders strenge Kriterien erfüllen. Seit 2010 gehört der Stollen aus Dresden zu den Lebensmitteln, die in der EU eine geschützte geografische Herkunftsbezeichnung tragen können. Ausgewählte Bäckereien dürfen ihre Christstollen mit einem Siegel mit dem Bild des "Goldenen Reiters" von Dresden kennzeichnen.
Für dieses Siegel des Dresdner Stollenschutzverbandes können sich nur Bäckereien aus dem Großraum Dresden bewerben. Sie müssen ihre Stollen jedes Jahr von einer Jury bewerten lassen. Verdeckt werden dazu Christstollen von Testeinkäufern erworben und von einer Jury nach Aussehen, Geruch und Geschmack bewertet. Maximal 20 Punkte kann ein Stollen erreichen, mindestens 16 braucht er, um das Siegel zu erhalten. Auch in anderen Regionen Deutschlands gibt es Stollenprüfungen von Bäcker- und Konditor-Innungen und vom Deutschen Brotinstitut: etwa im Erzgebirge, in Mittelsachsen, Leipzig, Teilen von Bayern und Nordrhein-Westfalen.
Wozu benutzte man in den Bäckereien "Stollenschilder"?
Früher wurde zum Beispiel in Dresden in vielen Haushalten vor Weihnachten ein Stollenteig nach dem traditionellen Familienrezept angerührt. Aber dann wurde der Teig gegen eine Gebühr zum professionellen Backen in die Bäckerei gebracht. Um das fertige Hefegebäck zuordnen zu können, besaß jede Familie ihre eigenen "Stollenschilder" aus Metall, in die der Nachname eingeprägt war. Die pieksten die Bäcker in den Teig, bevor die privaten Stollen in den Ofen geschoben wurden.
Wann sollte man den Stollen für Weihnachten backen?
Auf jeden Fall deutlich vor Weihnachten. Ein klassischer Christstollen sollte zwei bis vier Wochen ruhen und durchziehen. Dann haben Rum, Trockenfrüchte, Mandeln und Gewürze genug Zeit, ihre Geschmacksnoten im Gebäck zu verbreiten.
Aber Achtung: Nicht jede Sorte Stollen hält sich gleich lange: Ein Quarkstollen sollte möglichst frisch gegessen werden, ein Mohnstollen spätestes nach ein bis zwei Wochen (er kann sonst schimmeln). Bis zu 16 Wochen halten sich dagegen ein Marzipan- oder klassischer Christstollen mit Butter. Die lange Haltbarkeit hat mit dem Alkohol zu tun, in den die Rosinen eingelegt werden, aber auch mit der dicken Hülle aus Butter und Puderzucker, die den Stollen schützend umgibt.