Julia Engelmann: "Jede Woche, Baby!" An mein Zukunfts-Ich

Von Julia Engelmann
stern-Stimme Julia Engelmann schreibt an ihr Zukunfts-Ich. Unter Zukunft versteht sie alles, was nach dem Ende dieses Briefes stattfindet.

Liebes Zukunfts-Ich!

Wenn du das liest, bist du vermutlich schlauer als ich. Wobei: schlau ist ein großes Wort. Wenn du das liest, bist du auf jeden Fall älter als ich. Und so wie ich dich kenne, obwohl ich dich nicht kenne, weil du ja noch nicht da bist, hast du bestimmt inzwischen wieder vergessen, was ich jetzt grade denke. Und auch, wenn das vermutlich zu deiner und meiner Entwicklung dazu gehört, dass wir Dinge vergessen und dann von selbst wieder erkennen, bis unsere Synapsen-Dschungel voller Trampelpfade sind, passe ich dir hiermit meinen Erkenntnisball über die Grenzen von Raum und Zeit hinweg zu.

Wo soll ich anfangen? Ich mein, da ist so viel, was ich dir schreiben will. Aber je mehr ich schreibe, desto später werfe ich diesen Erkenntnisball in deine Richtung los, und desto später wirst du ihn fangen. Und vor allem ist da eins, woran ich dich erinnern will:

Es kann jederzeit aus jedem Moment alles werden.

Vergiss das nicht. Vergiss nicht, dass du jederzeit entscheiden kannst, die Dinge so oder so zu betrachten und aus den Dingen das oder jenes zu machen. Und vergiss nicht, dass du auch jederzeit entscheiden kannst, wie und wer du bist und dass du dich überall hin bewegen kannst. Und dass du mehr noch als deinen Körper vor allem deinen Geist jederzeit überall hin bewegen kannst. Und dass du immer so frei bist, wie du glaubst und dass du immer daran glauben kannst, komplett frei zu sein. Und ich weiß, Dinge können einfach so passieren, das passiert sogar andauernd und das liegt nicht in deiner Hand. Aber wenn das Leben dir einen großen, sauren Apfel hinhält, entscheidest du selbst, ob du reinbeißt.

Und auch aus diesem Moment, in dem du das hier liest, kann alles werden.

Ich weiß, dass du das dauernd vergisst, das weiß ich, weil ich es dauernd vergesse. Und genau da liegt der Trick. Daran zu denken. Daran zu denken, dass du dich daran erinnern wolltest, dich daran zu erinnern, dass aus jedem Moment jederzeit alles werden kann. Ich bin da optimistisch für uns.

Da ist natürlich noch so viel mehr, woran ich dich erinnern will, noch so viel mehr, was du vielleicht vergessen hast. Wie zum Beispiel, dass dir von zu viel Zucker immer schlecht wird und dass genug Schlaf und Bewegung gut tun, so wie auch Loslassen guttut. Und dass du nicht zu streng zu dir sein solltest, so wie niemand zu streng zu sich sein sollte.

Und dass wer schön sein will auch leiden muss, nämlich darunter, dass er so doof ist, bloß schön sein zu wollen. Und dass alles gut wird, weil alles gut ist. Und dass du, noch besser als andere und noch besser als ich, selbst am Besten weißt was für dich gut ist. Und dass die Kerzen aus ihren Haltern schmelzen, wenn du sie zu lange in der Sonne auf der Fensterbank stehen lässt. Ernsthaft, wie kann dich das immer wieder überraschen?

Ich muss jetzt los, gucken was aus den nächsten Momenten so alles werden kann und gucken, ob die Post da ist.

Dein Vergangenheits-Ich

Mein Soundtrack zum Text: The Stranglers – „Golden Brown“