Die neue "Tatort"-Saison geht los. Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs, 51) aus Franken muss im ersten Fall nach der Sommerpause einmal mehr auf seine Intuition vertrauen: In "Ich sehe dich" (14. September um 20:15 Uhr im Ersten) ermittelt er im Mord an einem Fahrradhändler, der nach außen hin wie der perfekte Mensch scheint. Er war erfolgreich, beliebt, sein Lieblingswort war "Ja" - aber da muss doch mehr hinter der Fassade stecken. Wer war er wirklich und was ist seine Verbindung zur blinden Lisa Blum (Mavie Hörbiger, 45)?
Nachdem seine Kollegin Paula Ringelhahn, gespielt von Dagmar Manzel (67), im letzten Fall in Rente gegangen ist, muss Voss diesmal alleine ermitteln. Unterstützung bekommt er von Assistentin Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid, 46) und zudem von Gaststar Sigi Zimmerschied (71) als Polizei-Veteran Fred, der als sein Fahrer abgestellt wurde. Trotzdem merkt man dem "Tatort" deutlich an, dass hier erst noch eine neue Dynamik gefunden werden muss.
Darum geht es im "Tatort: Ich sehe dich"
Kommissar Voss steht gerade in der Dusche, als ihn ein Anruf von seiner Assistentin erreicht - und verletzt sich prompt schwer an der Schulter. Krankschreiben kommt aber nicht in Frage, immerhin muss er einen mysteriösen Mord aufklären. In einer Grube im Wald wurde das Skelett eines Mannes gefunden, der seit mindestens zwei Jahren tot sein muss. Die Ermittlungen ergeben, dass es sich um einen Fahrradhändler handelt, der von seiner Mutter vermisst gemeldet wurde, mit der er noch zusammenwohnte.
Aber wer hat den 37-Jährigen so brutal erschlagen? Sein Umfeld zeichnet das Bild eines perfekten Mannes: erfolgreich, beliebt, sozial, keine Konflikte. Selbst seine einstige Verlobte, von der er sich nur fünf Tage nach dem Antrag wieder trennte, kann nur Positives berichten. Doch Voss hat Zweifel. "Es ist, als ob er eine Mauer des Guten um sich gebaut hätte", bilanziert er - und daran will er nicht glauben.
Schließlich offenbaren die Recherchen tatsächlich: Der vermeintliche Gutmensch hat mehr als eine Leiche im Keller. Voss stößt auf eine Verbindung zur blinden Lisa Blum, die in ihrem Nachbarn ihre große Liebe gefunden hat. Für den gehandicapten Kommissar beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um eine weitere Katastrophe zu verhindern.
Lohnt sich das Einschalten?
Wenn man den "Tatort" in der Sommerpause schmerzlich vermisst hat: ja. Wenn man einen Fall sehen will, in dem man tiefer hinter die Figuren blicken kann und keine Fragen offenbleiben: nein. Der Solo-Fall von Fabian Hinrichs bietet eine gute Geschichte, Spannungsmomente, Nervenkitzel und interessante Figuren. Allerdings gelingt es nicht, diese richtig auszuarbeiten. Selbst die forcierte Liebesgeschichte mag trotz starker Schauspielleistung nicht zünden.
Der "Tatort" beginnt mit einer Zeitlupe und das spiegelt sich auch in der Erzählweise wider. Alles wirkt irgendwie langsam - da können auch die wilden Kameraschwenks, Schnitte und Perspektivwechsel später und sogar mehrere Referenzen an Alfred Hitchcocks Horror-Klassiker "Psycho" (1960) nichts ändern. Bis der Kommissar dahinterkommt, was mit dem Toten los war und die Protagonistin Blum ins Spiel bringt, vergeht der halbe Film. Wer jetzt aber hofft, dafür den Ermordeten und seine Beziehungen wenigstens ordentlich kennenzulernen, irrt. Bis zum Ende bleibt zu viel im Dunkeln.
Der Titel "Ich sehe dich" ist im Hinblick auf die blinde Episodenhauptrolle zwar passend gewählt, Land sehen aber sowohl Hinrichs als auch die Zuschauer hier nicht unbedingt. Das kann auch daran liegen, dass er nach dem Abgang von Dagmar Manzel, mit der er zehn Jahre lang zusammen ermittelt hatte, erstmals auf sich allein gestellt ist. Das lässt den scharfsinnigen Humor zwischen den beiden vermissen - das kann auch das bayerische Urgestein Sigi Zimmerschied nicht rausholen, der mit seiner Figur zwar durchaus witzige Momente liefert, aber in der düsteren Atmosphäre auch etwas deplatziert wirkt. Umso besser, dass ein Ende der Solo-Reise in Sicht ist: Im nächsten Fall "Gottesgarten", der bereits abgedreht ist, stößt Rosalie Thomass (38) als Kommissarin Emilia Rathgeber als neue Hauptperson zum Franken "Tatort".