"Weiße Elefanten" Sündhaft teure Bauruinen

Als "Weiße Elefanten" bezeichnet man Dinge, die viel kosten, ohne Nutzen zu haben. Ein Fotoband dokumentiert gescheiterte architektonische Projekte: vom verwaisten Großbahnhof bis zum nie genutzten Atomkraftwerk.

Ein Autobahn-Pfeiler steht einsam auf einer Blumenwiese. Eine moderne Hotelruine rottet vor sich hin. Und eine Rennbann in der Lausitz wartet seit fünf Jahren vergeblich auf Autos und Zuschauer. "Weiße Elefanten" nennt der Fotograf Christian Heimle solche Bauten, die einfach nur dumm in der Gegend herumstehen, ungeliebt und ungenutzt. Er hat sie gesucht und in ganz Europa gefunden. Die kuriosesten Beispiele stellte er in einem Buch zusammen.

Planungsleichen und moderne Ruinen

Da ist die Chipfabrik in Frankfurt an der Oder, geplant und gebaut vom Emirat Dubai. Als die Marktchancen sich als schlecht entpuppten, zog der Investor sich zurück. Übrig blieb ein verlassener 1,3 Millionen Bau. Oder das Kernkraftwerk Zwentendorf bei Wien: Es wurde nie in Betreib genommen, weil Anwohner in einer Volksabstimmung dagegen protestierten. Eine Milliarde Euro in den Sand gesetzt. Das Hallenbad im italienischen Lacina steht seit zwölf Jahren als Rohbau herum und dient heute als Unterstand für weidende Kühe.

Der Mystery Park im schweizerischen Interlaken wurde 2003 auf Initiative des Weltraum-Phantasten Erik von Däniken eröffnet. In sieben Pavillons - kugelig, pyramidenförmig oder würfelförmig - wurden "unerklärliche Welträtsel" gezeigt. Leider wollte kaum jemand sie sehen, nach drei Jahren musste das Gelände schließen.

Und einer der Höhepunkt der Expo 2000 in Hannover, der Pavillon der Niederlande, rottet heute vor sich hin. Die renommierte Architektengruppe MVRDV hatte Landschaften wie ein Hochhaus übereinander geschichtet, um zu demonstrieren, wie man Platz sparend bauen kann. Heute interessiert sich niemand mehr dafür.

Gescheiterter Größenwahn

All diese Bauten sind stumme Zeugen von Größenwahn und Überheblichkeit. Von Korruption, Misswirtschaft, Fehlplanung und Pleiten. Auch einige große Architekten haben Planungsleichen produziert: In Berlin steht seit Jahren einsam und dunkel das Einkaufszentrum des Italieners Aldo Rossi herum. Nun soll es vielleicht zum Hotel umgebaut werden. Der Spanier Santiago Calatrava baute zwar einen wunderschönen Bahnhof in Lyon, konnte aber nicht verhindern, dass die meisten Züge dort nicht halten, sondern einfach durchbrausen.

Fehlplanungen sind peinlich. Deshalb durfte Christian Heimle nicht einfach fotografieren, wo und wie er wollte. Immer wieder wurde er von Wachleuten oder Hunden gehindert, die verlassenen Baugelände zu betreten. Einmal, vor einer Hotelruine bei Mailand, musste er sogar seinen Film herausgeben. Er ließ sich trotzdem nicht beirren und machte immer weiter. Nüchtern, kühl, und grade deshalb so beeindruckend sind seine Bilder. Ohne Sensationsgier, einfach nur Dokumentationen des Scheiterns.

Hitlers größenwahnsinniger Betonklotz

In manchen Fällen ist man übrigens ziemlich froh über das Scheitern. Bei dem nutzlosen Betonklotz in Berlin etwa, der seit Jahrzehnten bröckelt und vom Unkraut überwuchert wird. 18 Meter hoch und 12 650 Tonnen schwer ist er, gebaut in Zeiten des Hitler'schen Größenwahns. Er sollte einfach nur zeigen, dass man auch auf sandigem Boden Großes und Schweres bauen kann. "Germania", Hitlers Wahnsinns-Hauptstadt, kam dann zum Glück nicht mehr.