FehlanzeigeBenjamin v. Stuckrad-Barre
, einer der Leistungsträger der Literatur-Popper, zeigte auf MTV in seiner inzwischen eingestellten Sendung »Lesezirkel«, wie er sich verhält, wenn er in die Nähe wirklicher Literaten gerät: Der von Stuckrad eingeladene Robert Gernhardt wurde vom Gastgeber derart mit Missachtung gestraft, ständig unterbrochen und so uncool durch einen Kurz-Vortrag gehetzt, dass nur ein Schluss bleibt: Neid auf den Könner.
Unter der GürtellinieCatherine Millet
, Chefredakteurin einer Kunstzeitschrift, in ihrem Roman »Das sexuelle Leben der Catherine M.« auf 272 Seiten ihre sexuelle Autobiografie aus. Ohne jede Leidenschaft geht es um die Mechanik des Geschlechtsaktes - in Autos, auf Friedhöfen, auf Tischen, im Wald, zu zweit, zu dritt, mit Hundertschaften von Männern. Für Voyeure ist das Werk weniger geeignet. Die 53-jährige Autorin schildert ihre Erlebnisse mit dem geschulten Blick einer Kunstkritikerin. Frankreichs Groß-Kritiker Bernard Pivot fand, Millet habe »einen Klassiker« geschrieben.
Ego-InterviewMartin Walser
kreißt, gebiert er immer mehr als eine Maus. Sein neuer Roman »Der Lebenslauf der Liebe« führte zu einer mächtigen Interviewwelle im Lande, die Kritik war hin- und hergerissen. Auch dem stern gewährte der Dichter ein Interview. Allerdings wollte er im Nachhinein dann doch nicht gedruckt sehen, was er seinem Gesprächspartner Arno Luik in Stunden erzählt hatte. Zum Ausgleich schickte Walser dem stern eine eigene Version des Interviews - inklusive der Fragen an sich selbst. Weil der stern es doch lieber klassisch wollte und Walsers Werk nicht abdruckte, schickte der Dichter es dem »Spiegel«. Der druckte.
Vorhang zuMarcel Reich-Ranicki
auf dem ZDF-Sofa mit den Armen gerudert, mit dem Zeigefinger in die Luft gestochen, wegwerfende Handbewegungen gemacht und dabei auch unter Einsatz hochelaborierter Mimik - gibt es irgendeinen, der angeekelter gucken kann? - schlechte Bücher vernichtet oder talentierte Autoren in den Himmel gehoben: 400 Bücher in 77 Sendungen. Drei Nebendarsteller lieferten die Stichworte: Karasek in der Rolle des schwitzenden Milden, Sigrid Löffler als die unnahbare Zicke (später ersetzt durch Iris Radisch) und jeweils ein Gast als Vertreter des gesunden Menschenverstandes.
Über Haruki Murakamis Buch »Gefährliche Geliebte« gerieten sich Löffler (»literarisches Fast Food«) und Reich (»Weltliteratur«) dermaßen in die Wolle, dass Frau Löffler die Sendung zugunsten des Poltergeistes verlassen musste. Nun ist's vorbei mit dem Schauspiel, vorbei mit dem Gegrolle und Gefuchtel. Vorhang zu - und alle ein bisschen betroffen.