In seinem neuen Roman "Terrorist" befasst sich John Updike mit einem zum Dschihad entschlossenen Islamisten. Die Themenwahl sorgte für in der Literaturwelt für große Überraschung. Denn der 74-Jährige hat sich bislang mehr mit dem befasst, was hinter den Gardinen des weißen amerikanischen Mittelstandes passiert. Und nun begibt er sich auf die Spuren eines Attentäters? Der Grund mag darin liegen, dass Updike die Anschläge auf das World Trade Center von der Wohnung seines Sohnes in Brooklyn mit angesehen hatte. In seinem 22. Roman versucht der "Grand Old Man der amerikanischen Literatur", den 11. September 2001 zu verarbeiten.
US-Kritiker quittierten seinen Abstecher in die Hintergründe des Terrorismus vielfach mit der gelben Karte. Dem Porträt des 18- jährigen Ahmad aus einem Vorort von New York mangele es an Glaubwürdigkeit und Tiefgang, bemängelte die "New York Times". Der junge Islamist sei "mehr Roboter als Mensch und ein solches Klischee. Der Leser müsse sich fragen, ob diese Person für Herrn Updike einfach unbegreiflich ist und er deshalb zu statischen, eindimensionalen Stereotypen greift, statt sich ernsthaft mit dem Innenleben seines Protagonisten auseinander zu setzen".
Verachtung für den Materialismus
Mit der grandiosen Afrikageschichte "Der Coup" und dem weniger geglückten "Brasilien" hatte Updike schon zuvor bekanntes Terrain verlassen. "Terrorist" Ahmad ist der Sohn einer irisch-amerikanischen Schwesternhelferin und eines Ägypters, der bald nach der Geburt das Weite sucht. Der Junge wächst guterzogen, aber einsam auf. Seine Heimat New Jersey ist für ihn wie in ein fremdes Land. Er verachtet den Materialismus und die mangelnde Moral seiner Umwelt, angefangen bei der eigenen Mutter.
Das Buch:
John Updike: Terrorist
Albert A. Knopf, New York
310 Seiten
Bei seiner Suche nach ideellen Werten - und der Vaterfigur - gerät Ahmad in die Abhängigkeit eines jemenitischen Imams. Dabei fällt auf, dass nicht politische Motive wie das Leiden der Palästinenser, sondern die "Gottlosigkeit" der westlichen Gesellschaft den Hass des Jungen schüren. Der Imam, Sheik Raschid, zieht ihn über die Suren des Korans behutsam in das Netz einer terroristischen Zelle. Vergeblich bemüht sich sein Gegenpol, der jüdische Lehrer Jack Levy, den begabten und disziplinierten Jungen zum Studium zu überreden.
"Diese Teufel haben mir meinen Gott genommen"
Derweil bereitet der libanesische Möbelhändler Charlie das Selbstmordattentat vor. Ahmad soll einen Lastwagen mit Düngemittel und Treibstoff detonieren und den Lincoln Tunnel nach Manhattan in die Luft sprengen. Charlie ist ein gerissener Schwätzer, der den Jungen trotz der Glaubensverbindung abstößt. Er erweist sich letztlich als Verräter. "Diese Teufel wollen mir meinen Gott nehmen", sagt Ahmad am Anfang des Romans zu Charlie. "Diese Teufel haben mir meinen Gott genommen", denkt er am Ende.
Überraschend ist Updikes bedingungslose Sympathie mit dem religiösen Protagonisten. Selbst den Imam drängt er nicht in die Rolle des Bösewichtes ab. Zwar lässt sich der unerwartete Schluss selbst mit gutem Willen nur schwer nachvollziehen, doch der Autor beweist sich wie immer als Virtuose der Sprache. So bleibt sein Buch bei allen Mängeln ein literarischer Genuss. Der "Terrorist" erschien Anfang Juni in den USA und soll bereits am 22. September vom Rowohlt Verlag in Reinbek in deutscher Sprache angeboten werden.
Gisela Ostwald/DPA