Korea ist vom 19. bis 23. Oktober Gastland auf der Frankfurter Buchmesse. Interesse für koreanische Schriftsteller und ihre Werke sei schon immer vorhanden gewesen, aber mit der Buchmesse wachse die Aufmerksamkeit deutlich, sagt Günther Butkus, Leiter des Bielefelder Pendragon Verlages. Sein Schwerpunkt ist koreanische Literatur: Das Programm umfasst mittlerweile 30 Werke, die einen spannenden Einblick in die Vielfalt insbesondere der südkoreanischen Literatur nach 1945 geben.
Da sei "einmal diese Böll/Grass-Generation", die in ihren Werken das Trauma des koreanischen Bruderkrieges von 1950 verarbeite, erklärt Butkus. Dann gebe es die Generation, die sich in den achtziger Jahren mit aufrührerischen Werken gegen die Militärdiktatur gewandt habe. In einigen Punkten sei sie mit der Außerparlamentarischen Opposition (APO) in Deutschland vergleichbar. Die ab etwa 1960 geborenen Schriftsteller schließlich setzten sich mit den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte auseinander.
Hintergrundwissen ist nötig
Die Romane, Gedichte und Erzählungen wirken manchmal unzugänglich, einiges an Hintergrundwissen über koreanische Kultur und Geschichte ist für das Verständnis nötig. "Man steht oft wie der Ochs vorm Berg, weil man ganz viele Dinge einfach nicht weiß, es wird hier so viel an asiatischer Lebensweise und Tradition transportiert.", sagt Butkus. Die Herausgabe der koreanischen Edition bedeute für ihn deswegen vor allem Kulturtransfer. Man begebe sich auf eine Literaturreise, auf der man im Spiegel des Fremden zu Erkenntnissen über das eigene Leben gelange.
Buch-Tipp
Eun Heekyung: "Ein Geschenk des Vogels"
Pendragon, 18,50 Euro
Die Brüche der Moderne sind in Korea sehr spürbar. Während sich Nordkorea stark gegen ausländische und insbesondere westliche Einflüsse abschottete, durchlief Südkorea seit den 60er Jahren eine gewaltige gesellschaftliche und vor allem wirtschaftliche Entwicklung. Strenge Traditionsverbundenheit steht permanenter Modernisierung und Orientierung an westlichen Normen gegenüber. Die Jahrhunderte alte Gesellschaftsstruktur "...zerbröselt", sagt Butkus. "Das ist ein morbides System, darüber schreiben die Autoren auch, aber auf eine Art, die uns fremd ist."
Viele Autorinnen
Enorme Auflagenzahlen und hoch dotierte Literaturpreise belegen den Erfolg der Frauen im koreanischen Literaturbetrieb der letzten Jahre. Über Jahrhunderte hinweg sei die Rolle der Frau sehr begrenzt gewesen, erst durch den gesellschaftlichen und politischen Umschwung hätten sich Frauen kreative Freiräume erobern können, erläutert Butkus. In den Romanen koreanischer Autorinnen gibt es wenig Action, kein Paukenschlag leitet den Plot ein, und der Beginn einer großen Liebe wird nicht von einem romantischen Feuerwerk angekündigt. Die unauffällige, in ihrer Zurückhaltung oft bescheiden wirkende Art des Erzählens, manchmal auch die Wahl der Themen mögen antiquiert wirken. "Vieles, was dort ein Thema ist, ist bei uns vielleicht nicht mehr eins", sagt Butkus. "Aber das liegt auch daran, dass wir vieles wegdrängen oder nicht mehr sensibel für Themen sind." In Korea könne man mit einem Buch noch schocken, wenn der Inhalt an Tabus rühre, erklärt er.
Schriftstellerinnen wie zum Beispiel Eun Heekyung wagen sich an freizügige und provokante Themen. Die 46-Jährige ist eine der erfolgreichsten Autorinnen Koreas. Ihr 1995 erschienener Roman "Ein Geschenk des Vogels" war ein traumhafter Publikumserfolg. "Aber die Autorin ist auch unglaublich angegriffen worden wegen ihrer Offenheit", berichtet Butkus. Die um 1960 in einem Dorf unweit von Seoul spielende Geschichte liest sich streckenweise wie ein koreanischer Pop-Roman. Sämtliche Trends der Jahre, ob aus Mode, Politik oder Musik fließen als Zeitgeistbeschreibungen ein. Die zwölfjährige Jinhi beobachtet ihre Umwelt und macht sich dezidierte Gedanken über Beziehungen und Sex.
Ihre Tante Yongok ist ein Kind ihrer Zeit: Die Lidfalten lässt sie sich operativ entfernen und pflegt eine heimliche Liebschaft. Nach außen ist sie jedoch brave Tochter und Schwester, die sich in allen Lebenslagen den Entscheidungen des großen Bruders beugt. Ein interessanter Roman ist das, humorvoll und bisweilen sehr spritzig. Aber man muss sich einlassen auf die Andersartigkeit dieser Literatur mit ihrem gemächlicheren Tempo und den leisen Tönen. Für Butkus ist Heekyungs Roman der ideale Einstieg, um ein Gefühl für die koreanische Art des Schreibens zu bekommen.