Hannelore Kohl hat Charlotte Roche von ihrem Platz verdrängt. Dort, wo in der Europapassage in Hamburg am Mittwoch noch ein voller "Schoßgebete"-Präsentiertisch und überfüllte Regale standen, ist jetzt wieder Platz für Kohl. An der Kasse bloß, ein wenig verloren, liegen sieben Exemplare in weinrotem Umschlag. "So gut lief es hier", sagt die Filialleiterin am Jungfernstieg. Ein Engpass drohte, am Nachmittag kam zum Glück die nächste Lieferung, morgen kommt schon wieder eine. Mehrere Hundert Bücher werden täglich angeliefert, "damit auch immer genug da ist". Die Filialleiterin schaut zufrieden durch ihre Brillengläser. Verkaufsstart geglückt.
In der Spitalerstraße hingegen sitzt die Thalia-Filiale noch auf einer Menge Charlotte. Eine riesige Kiste am Eingang buhlt um die Aufmerksamkeit der Kunden, so weinrot wie das Buch selbst - Massenware Charlotte Roche. Sie ist noch voll bis an den Rand. "Es lief nicht gut an gestern", sagt eine Verkäuferin, etwas verunsichert. Die Zielgruppe sei die gleiche wie vor drei Jahren, "junge Mädchen und alte Männer."
Wenn sie stehen bleiben, die Kunden, dann nur kurz - und nichtsahnend. "Ach, ich kenne dieses Buch gar nicht", sagen sie, fahren dann rechts neben der Kiste die Rolltreppe rauf und schielen dabei verstohlen zur Kiste. Vielleicht wissen sie es doch alle, und wollen es nicht zugeben, dass sie einen Roman kaufen wollen, der von Sex auf eingeschalteten Heizdecken handelt.
In der Romanabteilung der Filiale steht das Buch unter "Erotik". Direkt unter dem Regal mit Titeln wie "Vögelfrei" und "Fuck your Friends" ist es sauber aufgereiht, in zwei Reihen.
Bei der Thalia-Zentrale in Hagen, wo man den Überblick über die deutschlandweiten Verkaufszahlen hat, heißt es nur: "Wir sind sehr, sehr zufrieden." Zahlen werden noch nicht herausgegeben.
Bei kleinen Buchhandlungen kein Thema
In der kleinen Buchhandlung am Hamburger Rathausmarkt sucht man vergebens eine Charlotte-Roche-Kiste. Hier kaufen Buchkenner ein, nicht die klassische Roche-Klientel. Gar nicht präsent ist sie hier, die heiß erwartete und groß angekündigte Skandalgeschichte des Sommers 2011. Die Erstauflage liegt bei 500.000 Exemplaren. Doch hier liegt sie nicht mal im Schaufenster aus. Ein einziges Exemplar ging seit gestern über die Ladentheke. "Unsere Kunden kommen nicht wegen Charlotte Roche zu uns", heißt es, und: "Sie kaufen etwas anderes, und nehmen "Schoßgebete" dann an der Kasse mit". Eine Mitnahmegelegenheit ist sie hier, die Roche. Nachbestellt wird nach Bedarf. "Das ist ja keine Eintagsfliege. Das wird laufen bis in die Weihnachtszeit hinein", sagt der Inhaber.
Es sind vor allem Online-Buchläden und einige große Filialen, die augenscheinlich von "Schoßgebete" profitieren. Bei Amazon und Hugendubel.de steht das Buch bereits auf Platz eins der Bestsellerliste. Es scheint, dass die Anhänger von Charlotte Roche Bestell-Typen sind. Schnell und anonym.