Der Legende nach hat Adolf Hitler Hollywoodfilme fast so sehr geliebt wie seinen Schäferhund. Und der Dikator wurde auch zurückgeliebt. Mindestens bis 1939. Die wirtschaftlichen Beziehungen der Traumfabrik mit dem damals "zweitgrößten Filmmarkt der Welt" sind seit jahrzehnten Thema wissenschaftlicher Forschung. Eine neue Doktorarbeit von der US-Eliteuniversität Hardvard hat dem schnöden Thema nun noch etwas hinzuzufügen. Offenbar hat Hollywood bei seinen liebsten Filmbösewichten vor dem Krieg sogar in deren Rüstung investiert.
"The Collaboration: Hollywoods Pact With Hitler" heißt die Dissertation von Ben Urwand, der sich durch internationale Archive gewühlt und neue Dokumente aufgetan hat. Zwar kommt das Buch erst im September auf den Markt, aber US-Medien wie der "Hollywood Reporter" haben es bereits einsehen dürfen.
Umgeschnitten oder gar nicht erst gedreht
In Protokollen und Briefen zwischen Nazi-Berlin und dem Los Angeles der 1930er Jahre steht nachzulesen, welchen Einfluss das "Kultur"-Verständnis des Dritten Reiches auf Hollywood hatte. Filme wurden umgeschnitten oder gar nicht erst hergestellt, wenn sie den Nazis nicht gefielen, behauptet Urwand und berichtet unter anderem von der angeforderten und ausgeführten Verstümmelung des berühmten Antikriegsfilms "Im Westen nichts Neues", dem Oscar-Gewinner des Jahres 1930. Aus dem Warner-Film "Das Leben des Emile Zola", Oscar-Gewinner 1931, der die Affäre Dreyfus thematisiert, musste jede einzelne Verwendung des Wortes "Jude" herausgeschnitten werden. In anderen Filmen seien jüdische Charaktere gänzlich entfallen.
Überbracht worden seien die "Warnungen" an die Studios vom damaligen deutschen Konsul in Los Angeles, Georg Gyssling. Dessen Handhabe war Artikel 15 der damaligen deutschen Filmregularien, der besagte, dass alle Filme eines Studios, die einen "anti-deutschen" Streifen herausbringen, im damaligen "Dritten Reich" verboten werden. Artikel 15, so Urwand, "zeigte sich als sehr effektiv, die amerikanische Filmindustrie zu regulieren". Deutsche Abgesandte hätten die Studios regelmäßig besucht und Filme Szene für Szene "kontrolliert".
"Nichts Revolutionäres dabei"
Im Berliner Staatsarchiv habe Urwand einen Brief der deutschen Vertretung von 20th Century Fox aus dem Jahr 1938 gefunden, in dem gefragt wird, ob Hitler seine Einschätzung zu bestimmten Filmen teilen möchte. Gezeichnet mit "Heil Hitler". Im Juni 1939, nach der Reichspogromnacht, habe Metro-Goldwyn Mayer zehn Nazi-parteitreue Journalisten zu einer Tour durch die Studios eingeladen.
Ebenfalls soll es MGM gewesen sein, die ihre deutschen Einkünfte in die deutsche Rüstungsindustrie investierten, als Devisenbeschränkungen es zunehmend schwierig machten, das Geld außer Landes zu bringen. Das bestätigte der deutsche Historiker Markus Spieker "Spiegel Online". Der steht Urwands Veröffentlichung allerdings skeptisch gegenüber.
"Nichts Revolutionäres dabei", lässt sich der Autor des Buches "Hollywood unter dem Hakenkreuz" zitieren. Die Studios Metro-Goldwyn Mayer, Paramount und Fox hätten sich schon im Frühjahr 1933 zur Zusammenarbeit mit Hitler-Deutschland entschieden, sagt Spieker.
Auch US-Historiker Thomas P. Doherty von der Brandeis-Universität und Autor des Buches "Hollywood and Hitler: 1933-1939" wirft ein, dass die Verstrickung Hollywoods mit den Nazis lange bekannt sei. In der "New York Times" wirft er Urwand sogar unsauberes Arbeiten vor, da der von Urwand so intensiv gebrauchte Begriff der "Kollaboration" mit Vichy-Frankreich konnotiert sei.
Urwand hält dagegen, dass eben dieses Wort in den Dokumenten immer wieder auftauche. "Kollaboration war es, was die Studios getan haben - und wie sie es beschreiben."