Herr Weiler, was suchen wir im Italiener?
Wahrscheinlich diese gewisse Lockerheit, die uns abgeht.
Sie erzählen viel von der Familiengeschichte Ihrer Frau. Wie ist Ihre Familie?
Meine Familie ist eine nicht geschiedene Bildungsbürgerfamilie. Ich komme nicht aus dem Kleinbürgertum. Deswegen finde ich dieses Reihenhausthema auch so faszinierend. Ich habe zwei Brüder, einen älteren und einen jüngeren, und bin sehr behütet und normal aufgewachsen.
Ist Antonio der wilde Vater, den Sie sich gewünscht hätten?
Auf keinen Fall. Antonio ist ein guter Mensch. Aber er ist auch ein unglaublicher Ignorant. Der interessiert sich zum Beispiel für kulturelle Dinge null. Antonio hat nicht einmal meine Bücher gelesen. Weil er Lesen doof findet. Als Onkel hätte ich ihn als irrsinnige Bereicherung empfunden.
Jan Weiler
Humorist mit ernstem Thema
Amüsante Anekdoten über Fremdheit
Jan Weiler wurde 1967 in Düsseldorf geboren. Er arbeitete als Werbetexter, bevor er die Deutsche Journalistenschule in München absolvierte. Er war erst Redakteur, dann Chefredakteur des Magazins der "Süddeutschen Zeitung". Heute lebt er als freier Autor in der Nähe von München. Sein Romandebüt "Maria, ihm schmeckt's nicht!" versammelt amüsante Anekdoten über seine angeheiratete italienische Sippe. Vor allem mit der skurrilen Figur seines Schwiegervaters, dem Gastarbeiter Antonio, ist Weiler ein moderner Don Quichotte gelungen. Weilers großes Romanthema ist die Fremdheit: So fremd sich Antonio in Deutschland fühlt, so unwohl fühlt sich der Erzähler in seiner eigenen Haut. Erst durch Antonio findet er zu sich selbst.
Ist Antonio eine gute Therapie gegen all die Neurosen eines Bildungsbürgersohnes?
Bestimmt.
Wird der Leser dank der Abenteuer dieses drolligen Reihenhausanarchisten mit seiner eigenen Spießbürgerlichkeit versöhnt?
Kann sein. Aber ich finde das Wort Spießbürger hässlich. Kleinbürgerlichkeit ist das bessere Wort, weil Spießbürgerlichkeit etwas ganz Schreckliches ist. Ich glaube, die Deutschen sind nicht spießiger als die Engländer oder die Belgier. Sie sind ängstlich.
Dann ist Antonio der gezähmte Fremde, vor dem man sich nicht zu fürchten braucht?
Ganz genau. Er guckt "Traumschiff", spielt Lotto und plant keine Anschläge.
Durch Antonios Abenteuer schimmert Ihre Liebe zu Deutschland. Sind Sie Patriot?
Nein. Aber ich mag mein Land. Von der Sprache angefangen, die unendlich schwer, aber auch unglaublich reichhaltig ist, bis hin zu den Menschen. Ich finde Deutschland ein gutes Land. Es ist sicher und schön.
4 Gratis-Hörbuch-CDs
Iste schöne Stimme
Dieser Autor kann nicht nur amüsant schreiben, sondern auch sehr gut vorlesen. Don Weiler genießt es, seinen Text darzubieten. Besonderen Gefallen findet er daran, Antonios Trapattoni-Deutsch zu imitieren. Dabei verliert er sich nie in Spott. In seinem munter plaudernden Vortrag werden die Anekdoten um den entwurzelten Don Quichotte aus Italien besonders lebendig. "Maria, ihm schmeckt's nicht!" von nun an komplett als Hörbuchserie in vier stern-Ausgaben×: Buon appetito!
© 2003 by Ullstein Heyne List GmbH & Co. KG, München
© 2004 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Erschienen im Ullstein Taschenbuch
Sicherheit kommt an erster Stelle. Symptomatisch?
Für mich bestimmt. Ich bin eben ein ängstlicher Deutscher. Meine Frau und auch der Antonio haben mir sehr dabei geholfen, Ängste zu überwinden. Das ist auch der Grundtenor meiner Romane. Das erste Buch fängt an mit den Worten "Ein Fremder steht vor der Tür" und hört auf mit den Worten "Ich bin glücklich". Um den Prozess dazwischen geht es in allen meinen Büchern.
Deutschlands beliebtester Schwiegersohn war früher erstaunlicherweise Punk.
Ja, so ein Dandy-Punk mit Markenklamotten. Mir gefiel die Musik, die Mode, die Einstellung. Ich war der Erste auf der Schule, der weiße Haare hatte. Und das fand ich schon toll. Es hat dazu geführt, dass mein Deutschlehrer, als er das sah, sagte: "Du Tünnes". Ich habe genau das als Auszeichnung verstanden. Es hat Spaß gemacht.
Haben Sie als Ex-Punk kein Problem mit dem deutschen Spießer?
Das unaushaltbar Spießigste auf der ganzen Welt sind eh Leute, die in Berlin-Mitte in ihren Retro-Adidas-Jacken herumsitzen, Milchkaffee trinken und sich über Spießer aufregen. Das führt nirgends hin, und es erzählt nichts. Was mich interessiert, sind gute Geschichten, und zwar möglichst gut erzählt.