1982, der erste Libanon-Krieg. Unter den israelischen Soldaten war auch der damals 20-jährige Samuel Maoz. Fast 30 Jahre später hat der über seine Kriegserlebnisse Film gemacht. "Lebanon" hat im vergangenen Jahr den Goldenen Löwen des Filmfestivals in Venedig gewonnen. Nun kommt der Film in die deutschen Kinos.
Nach der hypnotisierenden Animation "Waltz with Bashir" von Ari Folman (2008) und dem klaustrophobischen "Beaufort" von Joseph Cedar (2007) ist "Lebanon" der dritte Film eines israelischen Regisseurs zum Thema Libanonkrieg. In Interviews sagte Maoz, er sei aus dem Krieg zwar körperlich unversehrt heimgekehrt, doch habe er dort seine Seele verloren. Zwei Jahre lang hat er an "Lebanon" gearbeitet.
Der Film verschafft dem Zuschauer einen selten erfahrenen intensiven Blickwinkel auf die Schrecken des Krieges: "Lebanon" steigt zu Soldaten in den Panzer.
Im rollenden Sarg
Assi ist ein unerfahrener Kommandant. Shmulik der Richtschütze, Herzl der Ladeschütze und Yigal der Fahrer. Alle blutjung, alle ohne Kriegserfahrung, alle völlig unvorbereitet auf das, was sie erwartet. Ihr Auftrag lautet, eine feindliche Stadt, die kurz zuvor bombardiert wurde, auszukundschaften. Die Mission wird zum Horrortrip, auf dem die Soldaten immer wieder vor die Wahl gestellt werden, zu töten oder selbst getötet zu werden. Maoz bleibt bei der Panzerbesatzung, bei den vier jungen Männern, die in einem stählernen Ungetüm gefangen sind, dessen Feuerkraft Angst und Tod verbreiten, das für seine Insassen aber auch zum rollenden Sarg werden kann.
Der Panzerinnenraum wurde in einem Studio in Tel Aviv nachgebaut. "Meines Wissens hat es noch nie auch nur den Versuch gegeben, einen ganzen Spielfilm in so einem engen Innenraum wie dem eines Panzers zu drehen", sagt Produktionsdesigner Ariel Roshko. "Lecke Rohre und Flüssigkeiten, die an den Wänden herunterliefen, haben eine klebrige, düstere und ölige Stimmung geschaffen. Wir wollten den Panzer als eine Maschine mit menschlich-monströsen Eigenschaften zeigen. Diese Vermenschlichung machte den Panzer fast zum Schauspieler."
Die quälende Intensität des Films besteht vor allem darin, dass seine Zuschauer 93 Minuten lang in die Rolle eines Mitinsassen gezwungen werden. Das wird nicht jeder ertragen, doch damit vermittelt "Lebanon" das, was die meisten Antikriegsfilme trotz bester Absichten verfehlen: nämlich die schiere Unerträglichkeit des Krieges, des befohlenen, organisierten und zum Selbsterhalt unausweichlichen Tötens.
Fünf Schrappnellsplitter
Unabhängig von der Frage, wie berechtigt oder unberechtigt dieser Feldzug Israels war, geht es in dem zu Recht preisgekrönten Film von Samuel Maoz um existenzielle Extremsituationen und die Überforderung darin befindlicher Menschen.
"Lebanon" ist ein Horrorfilm, der für Regisseur Maoz auch therapeutische Wirkung hatte: Während der Dreharbeiten litt Maoz an dumpfen Schmerzen im rechten Fuß. Er nahm Schmerzmittel, um überhaupt schlafen zu können. Als er eines Morgens aufwachte, machte er eine unglaubliche Entdeckung: "Ich sah mir meinen Fuß an, der noch etwas blutete, aber nicht mehr geschwollen war. Daneben lagen fünf kleine Schrappnellsplitter - die letzten Zeugnisse des Libanon-Krieges, von denen sich mein Körper plötzlich, nach 24 Jahren, zu trennen beschlossen hatte. Ein passendes Finale für meinen bewussten Selbstheilungsprozess."