»MONSTER'S BALL« Schöne Überraschung

Sie ist glamourös. Supersexy. Und für das harte Drama »Monster's Ball« eigentlich die glatte Fehlbesetzung. Schon erstaunlich, was einem Halle Berry alles vormachen kann.

Man kann sie nicht einfach nur anschauen. Man starrt. Diese strahlend weißen Zähne. Diese makellose Haut. Diese Wangenknochen. In Seidenpapier sollte man Halle Berry packen und ausstellen. Wie sie da sitzt, sanft und freundlich lächelt und auf jede Frage mit mädchenhafter Begeisterung antwortet. Sie redet über die Herausforderungen, die jede Rolle so mit sich bringt, über Rassismus in Hollywood und die Peinlichkeit von Liebesszenen vor der Kamera. Es sind diese harmlosen Standardsätze, die Schauspielern so leicht und natürlich kommen wie das Ausatmen.

Und man versteht sofort, weshalb diese Frau unterschätzt wird. Wieso man sie als schokobraune Bikini-Beauty in der »Familie Feuerstein« besetzte oder als Bond-Girl im kommenden 007-Abenteuer »Stirb an einem anderen Tag«. Wieso ihr Oben-ohne-Auftritt im Actionfilm »Password: Swordfisch« zur berühmtesten Szene des Films avancierte. Und man versteht, weshalb der Regisseur Marc Forster der ehemaligen »Miss Ohio« die Hauptrolle in seinem Südstaatendrama »Monster's Ball« nicht zutraute. Zu viel Sexappeal. Zu viel Glamour. »Doch dann«, sagte der 31-jährige Deutsche, »sah ich die Traurigkeit in ihren Augen und spürte, dass sie perfekt war.« Er behielt Recht.

In seinem hochgelobten Film spielt Halle Berry die Kellnerin Leticia, die nach der Hinrichtung ihres Mannes, eines Mörders, um etwas Würde im Leben kämpft. Sie ist einsam und verzweifelt; gelegentlich greift sie zur Flasche und schlägt ihren fettleibigen Sohn. Als dieser bei einem Unfall stirbt, begegnet sie Hank (Billy Bob Thornton), einem Rassisten und ehemaligen Todeszellenwärter. Sie ahnt nicht, dass er der Henker ihres Mannes ist.

Die beiden kommen sich näher, und eines Abends entladen sich ihre aufgestauten Gefühle in einer atemberaubenden Sexszene - so heiß, dass sie in der amerikanischen Fassung gekürzt werden musste. »Monster's Ball« - ab 5. September in den deutschen Kinos - ist die Geschichte einer unmöglichen Liebe; ein kraftvoller, drastischer und bewegender Film um eine Heldin, die alles andere als perfekt ist.

Gerade die abgründigen Seiten dieser Leticia hätten sie gereizt, sagt Halle Berry. Die 34-Jährige kennt Abstürze und Armut selbst. Sie wuchs in Ohio auf, der Vater, ein Alkoholiker, ließ die Familie früh im Stich. Sie ist geschieden und auf einem Ohr fast taub, nachdem ein Ex-Freund sie geprügelt hatte. Mittlerweile lebt sie mit ihrem zweiten Mann, dem Sänger und angeblich notorischen Fremdgänger Eric Benét und dessen zehnjähriger Tochter zusammen, die sie adoptiert hat.

Vor zwei Jahren verursachte sie einen schweren Autounfall und beging Fahrerflucht, wurde darauf zum Gespött Hollywoods. Bei der Oscar-Verleihung wurde gewitzelt: Eine Neuauflage von »Miss Daisy und ihr Chauffeur« sei in Planung - diesmal ein Actionfilm, denn Halle Berry habe die Hauptrolle übernommen.

Und bei der darauf folgenden Oscar-Verleihung, in diesem März, stand sie dann selbst auf der Bühne und nahm als erste Afro-Amerikanerin den Preis entgegen. Sie hielt eine tränenreiche Rede, in der sie sich gleich für alle anderen Farbigen mitbedankte. Hübsch sah sie aus, und ein bisschen peinlich war es auch, aber gelacht hat keiner mehr über sie.

Bianca Lang

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