2. Cannes-Kontakt Mein Tag mit Leonardo

Im Extrem-Luxusresort Eden Roc in Antibes hat Leonardo DiCaprio am Donnerstag Interviews gegeben. Gatsby kann die Merkelraute. Und Bryan Ferry war auch da.

Was machst du gerade? Mich ärgern, dass ich Bryan Ferry nicht erkannt habe, der vor ein paar Stunden neben mir stand. Danke für den Hinweis, Kollegin. Er hat zusammen mit Florence and the Machine auf der "Gatsby"-Party gesungen.

Film des Tages:

"The Congress" von "Waltz with Bashir"-Regisseur Ari Folman, der inspiriert von einer Geschichte Stanislav Lems einen verwirrend-schönen Film gemacht hat. Darin spielt Robin Wright Penn eine Schauspielerin, die sich - gegen Zahlung einer großen Summe - komplett digitalisieren lässt und nie wieder auftreten darf, während ihr digitales Ich Film um Film dreht.

Was die Welt nicht braucht:

Schuhe, die Füße bluten lassen. Sie haben ja keine Vorstellung davon, was Frauen sich hier antun... (Das Foto lasse ich weg)

Sichtung des Tages:

Die "Great Gatsby"-Stars Isla Fisher, Elizabeth Debicki und Joel Edgerton, die sich rosa Handtücher um Füße und Beine wickeln und die Arme rubbeln, weil es beim Interview-Junket am Strand des Eden Roc echt kühl ist. Carey Mulligan ist schon erkältet, aber zu Scherzen aufgelegt: "I got my cold from Cannes, darling!" Leonardo DiCaprio ist geradezu gespenstisch entspannt - offensichtlich von innen gewärmt.

Und wie war das nun mit Leonardo DiCaprio? Der war heute gar nicht in Cannes, sondern eine halbe Stunde weiter nördlich in Antibes im berühmten Hotel du Cap Eden Roc, die allererste Adresse für die Schönsten und Reichsten und Berühmtesten während des Festivals. Wenn man mit "Gatsby" reden will, muss man sich also in ein Shuttle setzen, das einen an diversen Sicherheitskontrollen vorbei ins Herz dieses paradiesischen Ortes bringt. Eine Oase am Meer, mit Wald, Badehäusern, Pool mit Meereskante und gutgebauten Kellnern in französisch-gestreiften Shirts und weiße Hosen, die Espressos und Salate herumtragen. Die Journalisten sitzen auch in so einer Strandhütte - mit Fritten und Schnitten - und warten. Dann läuft es wie beim Doktor: Der Name wird aufgerufen, man geht zur Hütte Baz Luhrmann/ Tobey Maguire&Carey Mulligan oder eben Leonardo DiCaprio. Und da sitzt man dann und darf kurz ein paar Fragen stellen, bis der nächste Journalist gerufen wird. Wenn Sie schon immer mal wissen wollten, wie die sogenannten Interview-Junkets funktionieren, bitte die Interview-Sequenz in "Notting Hill" ansehen!
DiCaprio war an diesem Tag, anders als seine Kollegen, von buddha-gleicher Ruhe, vielleicht in einem anderen Universum. Die Kälte schien ihn jedenfalls nicht zu erreichen. Stattdessen ging er zwischen den Interviews immer wieder ans offene Ende seiner Strandhütte, um aufs Meer hinauszuschauen. Ganz wie Gatsby eben. Wenn man dann vor ihm sitzt, fällt einem auf, dass sein Gesicht einen Tick zu braungebrannt ist und dass er die Merkelraute beherrscht. Und er kann auch sprechen wie ein Politiker. Da ist Regisseur Baz Luhrmann lustiger, der erzählt, dass er in Berliner Clubs immer wieder Ärger mache, wenn er ein paar Sherrys zu viel intus habe, und dann lacht er herzlich über sich selbst. Aber eines stimmt tatsächlich: Leos Augen sind so blau wie das Meer, wenn die Sonne scheint. Und das ist doch auch was.

Zitat des Tages: "Es ist wirklich erstaunlich, wo die Franzosen immer diese Frauen herkriegen!" Kollege über François Ozons Neuentdeckung Marine Vacth. Das 23-Jährige Model spielt in "Young and Beautiful" eine 17-Jährige, die in Sommer bis Frühling ihr sexuelles Erwachen erlebt - von der Defloration (durch einen Deutschen) am Strand bis zum bezahlten Sex mit alten Männern im Pariser Hotel. Anders als erwartet, ist es kein Film mit dem Blick eines Grabbelgreises, sondern das sinnliche Porträt einer starken Frau. Nach der Pressevorführung gab es Applaus. Anders als bei Sofia Coppolas "Bling Ring". Coppola, die in der Welt der Filmstars großgeworden ist, hat mit Emma Watson ("Harry Potter"), die als Kind zum Filmstar wurde, einen Film über gelangweilte Teenager gedreht, die sich nichts sehnlicher wünschen, als Teil der Glamourwelt zu sein und deshalb in die Beverly-Hills-Villen von Stars wie Lindsay Lohan und Paris Hilton einbrechen. Der Film verlässt die Oberflächlichkeit der Celebrity-Hysterie nie, das ist konsequent, aber irgendwie auch eine sehr dünne Geschichte.

News des Tages:

Mit "Iron Sky" hat der finnische Regisseur Timo Vuorensola im vergangenen Jahr die Nazis auf den Mond geschossen. Nun wird für Teil zwei ge-crowdfunded. Der Aufruf dazu kommt als Entführungsvideo daher: Er sei von nordkoreanischen Truppen gekidnappt worden, sagt Vuorensola mit zerschlagenem Gesicht, flankiert von zwei bewaffneten Soldatinnen. Grund für Nordkoreas Zorn sei die Veräppelung in Teil eins, als ein Vertreter Nordkoreas behauptet, sein Land sei für die Nazis im Mond verantwortlich und alle in Lachen ausbrechen. "Iron Sky 2" soll "düsterer werden, verrückter, experimenteller", verspricht der Regisseur. "Der großartigste Science-Fiction-Film der Dekade." Für das erste Skript, mit dem sie beim Filmfest in Cannes 2014 Finanziers suchen wollen, brauchen sie 15.000 Dollar. Da sollen die Fans mithelfen.

Und mal so nebenbei:

Lars von Trier darf wegen seines "Naziskandals" vor zwei Jahren zwar nicht zum Filmfest, aber trotzdem ist sein neuer Porno-inspirierter Film "Nymphomaniac" Thema. Angeblich hat Cannes-Direktor Fremaux sogar sogar schon gesagt, der Bann habe doch nur ein Jahr Gültigkeit, doch der Sex-Sucht-Film wird trotzdem nicht hier, sondern in Dänemark Premiere feiern. Und ein Foto mit den ganzen Stars, die sich für von Trier zwischen die Beine blicken lassen, gibt es auch schon zu sehen. Natürlich sind Charlotte Gainsbourg, Willem Dafoe und Udo Kier mit dabei, aber auch Christian Slater, Shia LaBeouf und Uma Thurman.

Mitarbeit: Matthias Schmidt

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