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"Er ist wieder da"-Regisseur David Wnendt "Ich sehe Deutschland jetzt anders"

"Er ist wieder da" ist einer der beachtlichsten deutschen Filme des Jahres. Regisseur David Wnendt hat den Deutschen mit der Bestsellerverfilmung Hitler "zurückgegeben". Im Gespräch mit dem stern sagt er, wie sehr ihn die Reaktionen seiner Mitbürger schockiert haben. 
Von Sophie Albers Ben Chamo

Sie haben über die Dreharbeiten gesagt: "Viele Leute haben sich richtig gefreut, Hitler zu sehen". Ein Ungeheuer von einem Satz.
Diese dokumentarische Reise hat mein Deutschlandbild verändert! Das muss ich sagen. Dass man Hitler nur noch als lustige Figur sieht oder Selfies mit ihm machen will, ist schlimm. Aber ich fand noch schlimmer, wie weit das Interesse an ihm verbreitet ist, wie viele Leute mit Hitler etwas anfangen konnten und mit den Sachen, die er zu sagen hat. Ja, man weiß, dass es rechte Sympathisanten gibt, aber dass es schwieriger geworden ist, jemanden zu finden, der eine ganz andere Meinung hat als jemanden, der ihm zustimmt, das finde ich sehr erschreckend.

Bei den Dreharbeiten zu "Die Kriegerin" mussten Sie einmal wegen heftiger Magenschmerzen ins Krankenhaus. Hatten Sie bei "Er ist wieder da" je Bauchschmerzen?
Woher wissen Sie das? Nein, das war der Druck damals. Ich war an meiner Belastungsgrenze, aber nicht wegen des Themas. Diesmal hat es sich schon übel angefühlt, Deutschland selbst so zu sehen.

Wie fasziniert sind Sie selbst von Hitler?
Ich bin eher fasziniert davon, was er für uns bedeutet und was er in den Leuten auslöst. Ich finde es aber wichtig, dass man ihn auf Normalmaß zurechtstutzt, dass man auch über ihn lachen kann und muss. Der war eigentlich nur ein sehr mittelmäßiger, ein wahnsinnig fauler Politiker, der keinen einzigen Tag am Schreibtisch gesessen hat. Außer Reden halten, war da nichts. Trotzdem hat er die Geschichte Deutschlands und der Welt so sehr verändert. Aber ich bin nun echt kein Hitlerfan.

Wie viele der Szenen mit den Leuten auf der Straße sind inszeniert?
Inszeniert ist die Sequenz in der Parteizentrale der NPD. Das ist eine Szene aus dem Buch, die wollten wir drehen. Aber eben auch Begegnungen mit echten Nazis. Die Szenen, in denen Hitler mit normalen Leuten ins Gespräch kommt und die vom Leder ziehen, da ist niemandem etwas in den Mund gelegt worden.

Hellmuth Karasek hat in der Plasberg-Show zum Buch gesagt: Die Deutschen warten auf Hitler? Sehen Sie das auch so?
Ja, leider kommen viele seiner Sichtweisen immer noch gut an. Hitler hatte vor allem Werte, die viele geteilt haben. Das hat ihn so normal gemacht. Er war nicht außergewöhnlich oder anders. Heute ist selbst Antisemitismus wieder auf dem Vormarsch, vom Ausländerhass ganz zu schweigen. Es gibt diese Sehnsucht nach klaren, simplen Verhältnissen. Dass jemand da oben ganz klar sagt, wo es langgeht. Plus klare Feindbilder und Schuldzuweisungen. Vor allem gerade jetzt, da wir in einer sehr komplexen Welt leben, in der es an jeder Ecke zu brennen scheint.

Heißt das in der Konsequenz, wenn jemand mit Hitlers Charisma kommt, geht es wieder los?
Ich würde ihm Charisma absprechen.
Also ich fand Masuccis Darstellung beängstigend charismatisch.
Natürlich. Aber ich glaube, dass die Leute so auf ihn reagiert haben, weil er ihnen zugehört hat. Die hatten das Gefühl, er nimmt sie ernst. Und er hat hemmungslos seine Vorurteile rausgelassen. Das macht diese Faszination aus.

Also anders gesagt: Wenn jemand mit einfachen Lösungen käme, würden die Leute ihm wieder zujubeln, würde die Geschichte sich wiederholen?
Ich glaube, dass wir tatsächlich in einer Phase sind, wo vieles, das vor wenigen Jahren noch sicher schien, in der Krise ist. Ich glaube aber nicht, dass die Geschichte sich wiederholt. Wenn, dann würde man es nicht so schnell erkennen. Aber bei den Krisenzeichen und den Einstellungen der Leute gibt es auf jeden Fall Parallelen zu den 30er Jahren. Die gemeinsamen Nenner sind: Ausländerfeindlichkeit, was sich auf jeden Fall noch verstärken wird durch die vielen Flüchtlingen. Und der Frust mit der Demokratie: Zuerst der Glaube, dass es keine ist, weil man nicht mitbestimmen kann, zweitens, dass Politiker nicht in der Lage sind, unsere Probleme zu lösen. Das glauben die meisten.

Haben Sie Angst, dass die Leute diesen Spiegel, den Sie ihnen vorhalten nicht verstehen könnten?
Ich habe Vertrauen in die Zuschauer. Gerade auch in Schüler und Jugendliche.

Der Trailer läuft ja vor "Fack Ju Göthe 2" im Kino.
Naja, wenn sechs Millionen Leute "Fack Ju Göthe 2" sehen, haben auch sechs Millionen den Trailer gesehen. Als Filmemacher freut mich das.

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