Herr DiCaprio, Ihr neuer Film "The 11th Hour" ist eine Art Hilferuf für Mutter Erde. Seit wann interessiert Sie die Umwelt eigentlich so sehr?
Schon als kleines Kind war ich jemand, der sich unheimlich viele Shows im Fernsehen angeschaut hat, die sich mit der Natur und Tieren beschäftigt hat. Ich war immer begeistert von der Arbeit, die Biologen verrichten. Das hat bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.
Aber Sie unterscheiden sich von vielen Ihrer Kollegen. Sie engagieren sich wirklich besonders aktiv. Immerhin haben Sie für diesen Film fast keinen Cent an Gage erhalten.
Ich habe vor zehn Jahren Al Gore kennengelernt. Der hat mich eingeweiht in die Folgen der Klimakatastrophe, die sich vor unseren Augen abspielt. Es war sehr beeindruckend für mich, diesem Mann zuzuhören. Damals habe ich gesagt: Ich werde etwas gegen die Zerstörung unseres Planeten tun.
Nun sind Sie als Movie-Star jemand, der viel reisen muss. Oftmals auch in Privatflugzeugen, die natürlich genau das Gegenteil anrichten von dem, was Sie erreichen wollen. Sie verpesten die Umwelt und zerstören die Natur.
Ich bin nicht frei von Fehlern. Das weiß ich. Aber es geht auch nicht darum, dass ich mit diesem Film oder mit anderen Projekten den Menschen vorschreiben möchte, wie sie ihr Leben zu führen haben. Ich glaube allerdings, dass wir das Bewusstsein der Leute ändern können, in dem wir sie aufklären. Das ist unser Ziel. Und ich fliege übrigens sehr viel häufiger mit kommerziellen Airlines, als es mir nachgesagt wird. Ich versuche, meinen Teil beizusteuern.
Was tun Sie denn persönlich, um die Umwelt zu schützen?
Nun, ich fahre seit fünf Jahren ein Hybrid-Fahrzeug. Dann habe ich Solarzellen an meinem Haus anbringen lassen. Und ich kaufe organische Produkte auf dem Farmers Market, versuche, Supermärkte zu ignorieren so oft es eben geht.
Warum denn das?
Weil wir somit der lokalen Infrastruktur helfen und ein Statement abgeben. Je mehr Menschen frisches Gemüse und frisches Obst von Bio-Bauern einkaufen, desto mehr wird sich der Markt darauf einstellen. Es ist ein ökonomisches Problem, was uns hier beschäftigt.
Umweltschutz ist teuer. Nicht jeder kann es sich leisten, Solarzellen auf dem Dach des Eigenheims zu installieren.
Das weiß ich. Und deshalb müssen wir Umweltschutz auch für alle zugänglich machen. Es muss ein politisches Ziel sein. Aber leider sind wir mit der momentanen Führung in den USA weit von einem solchen Ziel entfernt.
Dass Sie kein Anhänger von Bush sind, wissen wir, seitdem Sie vor der letzten Präsidentschaftswahl Kerry in 14 Bundesstaaten unterstützt haben. Wie sieht es denn diesmal aus? Im nächsten Jahr stehen neue Wahlen an, haben Sie sich schon einen Kandidaten ausgeguckt?
Leider hat mich bisher noch kein Kandidat überzeugen können. Eine gute Umweltpolitik wurde von noch niemandem vorgestellt. Ich muss das noch weiter beobachten, bevor ich eine Entscheidung treffe.
Wie sieht es eigentlich bei Ihnen persönlich aus, hätten Sie nicht Interesse von der Schauspielerei in die Politik zu wechseln?
(lacht). Das werde ich in letzter Zeit öfter gefragt. Nein, ich habe keinerlei Aspirationen, in die Politik zu wechseln. Ein guter Freund von mir sagt immer, dass ich nicht für ein Amt, sondern vor einem Amt davonlaufe. Und da ist wohl auch was dran.
Aber als Aktivist können Sie sich schon eine Zukunft vorstellen?
Ich bin Aktivist. Ich glaube sogar, dass ich ein Teil einer riesigen Bewegung bin im Moment. Wir können den Raubbau an Mutter Erde stoppen. Unsere Generation hat eine riesige Chance. Und ich bin Schauspieler. Ich glaube nicht, dass Filme wie "The 11th Hour" möglich gewesen wären, wenn der "Hollywood-Star DiCaprio" nicht mitgemacht hätte. Und warum soll ich meinen Namen und meinen Ruf nicht für eine gute Sache hergeben? Ich mag die Schauspielerei und werde mit Sicherheit auch in diesem Gebiet weitermachen.
Was sagen eigentlich ihre Fans dazu, dass Leo DiCaprio seinen Grünen Daumen auf Hollywood drückt?
Die Resonanz ist überwältigend. Soviele junge Menschen kommen auf mich zu dieser Tage und fragen, wie sie helfen können, was sie tun können, um zu helfen. Ich habe das Gefühl, dass sich derzeit eine globale Gemeinde bildet, die es sich zum Ziel machen möchte, unseren Planeten für zukünftige Generationen lebenswert zu machen.
Und dann gibt es die Hiltons, die Spears, die Lohans. Junge Menschen, die ohne solche Ideale durchs Leben gehen
Und auf merkwürdige Art und Weise doch den Finger auf die Wunde legen. Konsum ist eine Krankheit, die uns alle betrifft. Wir konsumieren, um damit Glück zu ersetzen. Aber Glück kann durch Konsum, das zeigen die genannten Beispiele, nicht erkauft werden. Wir müssen ein Bewusstsein erlangen, das uns zeigt, dass auch jedes Shopping immer eine Art Urnengang ist. Wir machen Politik mit unserem Shopping-Verhalten.
Glauben Sie denn wirklich, dass große Unternehmen auf Leonardo DiCaprio und seine Umweltfreunde hören?
(lacht). Ja, das glaube ich tatsächlich. Und nicht nur das. Große Unternehmen haben gemerkt, dass die Umwelt "big business" bedeutet. Jeder Mensch ist für eine gesunde Umwelt. Das hat unglaubliche marktwirtschaftliche Bedeutung. Silicon Valley investiert seit Jahren schon in alternative Energien. Unternehmen gehen dahin, wo sie das Geld verdienen können. Warum also nicht Geld mit einer gesunden Umwelt verdienen?
Sie machen den Eindruck, als seien Sie als Mensch in den letzten Jahren unheimlich gewachsen. Sehen Sie das auch so?
Ich habe viel gelesen, mir viel Wissen angeeignet. Ich will an dieser Stelle aber auch klarstellen, dass ein moderner Umweltschützer heute nicht mehr das Image des behaarten Hippies, der nur Granola isst, reflektieren muss. Umweltschützer von heute sind Menschen, die klare Lösungen anbieten können, die einen Paradigmen-Wechsel einfordern, aber keine Revolution anzetteln wollen.
Leo, was ist dran an dem Gerücht, dass Sie für diesen Film auch die Garage Ihrer Mutter benutzt haben?
Das stimmt. Wir haben diesen Film mit so wenig Geld gedreht, dass ich meine Mutter einspannen musste (lacht). Ich habe sie dann gefragt, ob wir Ihre Garage für einige Einstellung nutzen können, und sie hat zugestimmt.