Vor fast auf den Tag genau 20 Jahren hat der damalige US-Vizepräsident und Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Al Gore, im Rennen um das Weiße Haus seine Niederlage gegen George W. Bush eingestanden. Nach wochenlangem juristischen Tauziehen um die Stimmen im Bundesstaat Florida und dem Verbot einer Neuauszählung der Wahlzettel durch den Obersten Gerichtshof trat Gore am 13. Dezember 2000 vor die Kameras und gab sich seinem Kontrahenten geschlagen.

Er sei zutiefst enttäuscht und nicht einverstanden mit dem Urteil des Supreme Court, welches Bush mit lediglich 537 Stimmen Vorsprung den Sieg in Florida sicherte – und damit die Präsidentschaft, verkündete Gore damals in seinem Amtssitz neben dem Weißen Haus. "Parteipolitischer Groll" müsse aber jetzt beiseite gelegt werden. "Ich akzeptiere die Endgültigkeit des Ergebnisses, das nächsten Montag im Electoral College ratifiziert werden wird", sagte er. "Und heute Abend, um unserer Einheit als Volk und der Stärke unserer Demokratie willen, biete ich meine Kapitulation an."
Gore: Unterstützer haben Angst vor Trump
Von solch einer Geste ist der diesjährige Wahlverlierer Donald Trump meilenweit entfernt. Der 74-Jährige weigert sich seit dem 3. November stur, den Sieg seines Herausforderers Joe Biden anzuerkennen und macht mit aussichtslosen Klagen, kruden Verschwörungstheorien und dreisten Lügen Stimmung gegen die Anerkennung des Wahlergebnisses. Viele seiner Parteigenossen und Anhänger folgen Trump auf diesem Weg. Am Wochenende protestierten in Washington Tausende Getreue des scheidenden Amtsinhabers gegen den vermeintlichen Wahlbetrug. Und nur eine kleine Minderheit republikanischer Kongressmitglieder hat bislang öffentlich eingeräumt, dass Biden die Wahl gewonnen hat.
Gore rief die unbeirrbaren Trump-Unterstützer jetzt dazu auf, weniger an sich selbst und den Mann im Weißen Haus und mehr an die Nation zu denken. "Ich möchte diejenigen ermutigen, die immer noch die verlorene Sache von Präsident Trumps Wiederwahl unterstützen, das Land an erste Stelle zu stellen", sagte der 72-Jährige im US-Sender CNN. "Es ist schwer, sich der Interpretation zu entziehen, dass sie Angst haben, dass Präsident Trump sie in die politische Vergessenheit twittern wird, wenn sie nicht genau das tun, was er sagt", erklärte Gore. "Aber wissen Sie, es gibt Dinge, die wichtiger sind, als sich der Angst vor einem Demagogen zu beugen. Eines dieser Dinge, die wichtiger sind, sind die Vereinigten Staaten von Amerika und unsere Verfassung und die Fortführung des amerikanischen Experiments."
Wahlleute geben ihre Stimmen ab
Die Aussagen des ehemaligen Vizepräsidenten kamen nur wenige Tage nachdem der Oberste Gerichtshof eine Beschwerde des Bundesstaats Texas gegen die offiziellen Wahlergebnisse in Michigan, Georgia, Pennsylvania und Wisconsin abgewiesen hatte. Die Beschwerde war von Trump, mehr als einem Dutzend republikanisch geführter Staaten und 126 republikanischen Abgeordneten aus dem Repräsentantenhaus unterstützt worden.
Und sie kamen nur einen Tag bevor die Wahlleute der einzelnen Bundesstaaten an diesem Montag ihre Stimmen für den künftigen Präsidenten und Vizepräsidenten abgeben – der nächste Schritt auf dem Weg zur Vereidigung von Biden und Kamala Harris am 20. Januar. Die Beschwerde aus Texas habe "das Ergebnis erhalten, das sie verdient hat" kommentierte Gore das Urteil von vergangenen Freitag und prognostizierte: Wenn das Electoral College gewählt habe, werde dies "ein Punkt sein, an dem einige von denen, die durchgehalten haben, den Geistern nicht mehr nachjagen werden".