Es ist die Wahl nach der Wahl: Sechs Wochen nach der Präsidentschaftswahl vom 3. November werden am Montag die Wahlleute des sogenannten Electoral College ihre Stimmen für den künftigen US-Präsidenten abgeben. Der siegreiche Herausforderer Joe Biden dürfte dann eine klare Mehrheit der insgesamt 538 Wahlleute-Stimmen erhalten – auch wenn Wahlverlierer Donald Trump keine Anstalten macht, sich mit seiner Niederlage abzufinden. Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Was passiert am Montag?
Bei der Präsidentschaftswahl vom 3. November hatten die Wähler nur indirekt für die Präsidentschaftskandidaten gestimmt. Konkret wählten sie in jedem Bundesstaat eine Gruppe von Wahlleuten, die von den jeweiligen Parteien im Vorfeld bestimmt worden waren.
Die Wahlleute des jeweils siegreichen Kandidaten werden nun am Montag in den 50 Bundesstaaten und im Hauptstadtbezirk Washington DC zusammenkommen. Es versammeln sich also nicht alle 538 Wahlleute an einem Ort, wie der Begriff Wahlkollegium nahelegen könnte.
In von Biden gewonnenen Bundesstaaten wie Kalifornien und New York geben die Wahlleute der Demokraten ihre Stimme ab, in von Trump gewonnen Staaten wie Florida und Texas die Wahlleute der Republikaner. Die Wahlergebnisse werden schließlich an den US-Kongress geschickt, wo sie am 6. Januar ausgezählt werden.
Wie viele Wahlleute-Stimmen braucht der Sieger?
Der Sieger benötigt die Stimmen von mindestens 270 der insgesamt 538 Wahlmänner und -frauen. Anhand des Wahlausgangs in den Bundesstaaten ist Biden der klare Sieger, er hat 306 Wahlleute gewonnen – so viele wie Trump im Jahr 2016. Der abgewählte Amtsinhaber kommt auf 232.
Sind die Wahlleute an das Wahlergebnis gebunden?
Die US-Verfassung schreibt den Mitgliedern des Wahlkollegiums keineswegs vor, entsprechend des Wahlausgangs in ihrem Bundesstaat abzustimmen. Es gibt allerdings 32 Bundesstaaten und den District of Columbia, die ihre Wahlleute dazu verpflichten. In 15 davon drohen bei Verstößen Strafen, allerdings eher milde, wie etwa eine Geldbuße.
Weil die Wahlleute aber in der Regel treue Parteivertreter sind, stimmen sie ohnehin fast immer so, wie von ihnen erwartet wird. In der US-Geschichte scherte weniger als ein Prozent der Wahlleute aus, zwischen 1796 und 2016 waren es genau 180. Den Ausgang einer Präsidentschaftswahl hat dies noch nie verändert.
2016 verweigerten fünf Wahlleute der unterlegenen Hillary Clinton ihre Stimme, zwei weigerten sich für Trump zu votieren, er bekam deswegen 304 anstelle von 306 Stimmen. Biden hat ein bequemes Polster: Der 78-Jährige hat 36 Wahlleute mehr gewonnen als die notwendige Mindestzahl.
Kann Trump den Prozess torpedieren?
Der abgewählte Präsident lässt nichts unversucht, den Wahlausgang zu kippen. Er und seine Verbündeten haben Dutzende Klagen eingereicht – und vor Gerichten Dutzende Niederlagen erlitten. Zuletzt hatte Trump versucht, sich in eine Klage des konservativen Bundesstaates Texas vor dem Obersten US-Gerichtshof gegen vier Bundesstaaten einzuklinken, in denen Biden gewonnen hat. Der Supreme Court wies die Klage jedoch am vergangenen Freitag ab.
Trump hatte parallel zu seinem juristischen Feldzug massiven Druck auf Landespolitiker in den Schlüsselstaaten Pennsylvania, Michigan und Georgia ausgeübt. Er verlangte, dass Bidens Wahlsieg dort nicht anerkannt wird und die Landesparlamente ihm die Wahlleute zusprechen. Der Noch-Präsident handelte sich dort aber nur Abfuhren ein.
Wird nach dem Montag Ruhe einkehren?
Darauf deutet nichts hin. Trump hat bereits angekündigt, seinen Feldzug gegen seine Abwahl fortzusetzen. "Es ist nicht vorbei", sagte er in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview des Senders Fox News. Es gebe noch "mehrere lokale Fälle" in Bundesstaaten, bei denen seine Anwälte gegen das Wahlergebnis vorgingen. Reelle Chancen hat der 74-Jährige dabei nicht.
Trump könnte seinen Kampf aber auch in den Kongress tragen. Dort werden nämlich am 6. Januar bei einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat die Wahlleute-Stimmen ausgezählt. Vizepräsident Mike Pence wird in seiner Rolle als Senatspräsident das Wahlergebnis verkünden und offiziell den Wahlsieger ausrufen.
Konservative Parlamentarier könnten während der Sitzung Widersprüche gegen die Wahlleute-Stimmen aus einzelnen Bundesstaaten einreichen. Ein solches Unterfangen würde für erhebliche Unruhe sorgen, wäre allerdings so gut wie sicher zum Scheitern verurteilt, da beide Kongresskammern dem Widerspruch stattgeben müssten und die Demokraten im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben.
Derartige Einsprüche wurden seit 1887 nur zweimal erhoben, einmal 1969 wegen eines abtrünnigen Wahlmannes und einmal 2005 wegen Wahlunregelmäßigkeiten im Bundesstaat Ohio. Keiner der beiden Versuche war erfolgreich
Für Unruhe sorgen könnte Trump dann wieder am 20. Januar, wenn Biden als 46. Präsident der US-Geschichte vereidigt werden soll. Trump könnte der Zeremonie fernbleiben und in die Tat umsetzen, was er laut einem Medienbericht überlegen soll – am selben Tag seine Präsidentschaftskandidatur für das Jahr 2024 verkünden.