Mr. Redford, ist es heute schwerer denn je, Amerikaner zu sein und sein Land zu lieben?
Es ist nicht schwer, dieses Land zu lieben, aber schwerer, unser Land in den Teilen der Welt zu repräsentieren, die sauer auf uns sind. Die meisten Menschen machten die US-Regierung für die Geschehnisse verantwortlich, nicht zwingend das amerikanische Volk. Aber als Bush wiedergewählt wurde, änderte sich das Bild. Das konnte keiner verstehen, und nun sind wir nicht mehr besonders beliebt. Das tut weh.
Ist "Von Löwen und Lämmern" ein patriotischer Film?
Ja sehr, denn ich liebe Amerika, und ertrage es nicht, wenn eine engstirnige Führung unsere Werte mit Füßen tritt. Nach den Anschlägen vom 11. September war die ganze Welt auf unserer Seite. Wir ignorierten die Welt und marschierten in den Irak ein. Eine Serie von ernsthaften Fehltritten kosteten uns jeglichen Kredit.
Ein Großteil der Amerikaner ist inzwischen gegen die Bush-Regierung und den Krieg im Irak eingestellt. Auch das Kino reagiert mit einer Vielzahl kritischer Filme.
Heute ist es leichter, solche Filme zu machen, weil Bush so unpopulär ist. Vor einigen Jahren hatte die Regierung unsere Angst bewusst instrumentalisiert, und jeden des Anti-Amerikanismus bezichtigt, der sich gegen ihre Politik stellte. Es galt als unpatriotisch, die Truppen nicht zu unterstützen. Keiner traute sich zu sagen, das ist falsch. Einige Zeit funktionierte das, aber jetzt dringt die Wahrheit durch, so wie Gras langsam durch Beton wächst.
Aber will das US-Publikum das wirklich sehen? Filme wie "Home of the Brave", "Ein mutiger Weg" und "In the Valley of Elah" waren allesamt Flops.
Ich denke nicht, dass diese Filme zu früh kamen. Schließlich dauert der Krieg gegen den Terrorismus schon sechs Jahre. Ein Problem ist aber die große Zahl solcher Filme, die alle zur gleichen Zeit herauskommen. Das ist keine gesunde Atmosphäre, weil die Leute vielleicht gar nicht wissen, was sie sich anschauen sollen. Außerdem blickt Amerika nicht gerne auf sich selbst.
Warum?
Amerika besitzt Stärke und Macht, ist gleichzeitig aber immer noch ein sehr junges Land, das nicht die Reife hat, über seine negativen Seiten nachzudenken. Deshalb konnte auch einer wie Ronald Reagan Präsident werden. Jimmy Carter nannte die Probleme damals beim Namen. Reagan kam rein und sagte: Alles wird wunderbar, alles wird großartig! Das klang wie aus einem Drehbuch. Und jeder stimmte begeistert zu und schrie: Ja! Ich denke, wir sollten langsam erwachsen werden.
Weht durch Hollywood der Aufbruchsgeist der 70er?
Es gibt kein Hollywood mehr, das ist ein Euphemismus. Hollywood ist nur eine Straße. Es repräsentiert nicht mehr wie früher das Filmgeschäft. Die Studios finanzieren ihre eigenen Filme nicht mehr, sie verleihen sie nur noch. Das Geld kommt von ausländischen Investoren.
Aber das amerikanische Kino ist politischer denn je.
Ja, aber das bezieht sich auf die unabhängigen Produktionen. Und wenn die Studios diese Filme kaufen, fein. Das sogenannte Hollywood ist ein Business. Die wollen ihr Geld zurück, also brauchen sie Garantien. Die kann ich ihnen mit Filmen wie meinem nicht geben. Die sind riskanter, also werden sie vorwiegend unabhängig mit niedrigem Budget produziert. Und viele verzichten auch auf eine Menge Geld, weil sie ein Statement abgeben wollen über das, was gerade in unserer Gesellschaft passiert.
Auch die Stars?
Ja, weil die Stars ein Teil davon sein möchten. In diesem Sinne passiert schon eine Menge, aber ich glaube nicht, dass man die Zeit zurück drehen kann. Den Geist der 70er, des New Hollywood kann man nicht kopieren und in die heutigen Filme transportieren. Die Welt hat sich zu stark verändert. Es gibt Computer, Kabelfernsehen, Internet, Blogger. Und es gibt keine allgemeine Wehrpflicht wie im Vietnam-Krieg, für den die Studenten vom Campus aus einberufen wurden.
Kann Kino etwas verändern? In Gesellschaft oder Politik?
Da muss ich leider sagen: Nein. In meinem Film "Bill McKay - Der Kandidat" ging es um unser Wahlverhalten. Dass zu wenig junge Menschen ihre Stimme abgeben und Aussehen über Inhalte gestellt wird. Das war 1972. Sie merken, der Film konnte rein gar nichts bewirken. Oder „Die Unbestechlichen“. Schauen Sie doch, wie nahe wir gerade wieder dran sind, gewisse Freiheiten zu verlieren. Ich bin sicher, viele Leute mochten die Filme und sie hatten eine Wirkung auf sie. Aber nicht genug, um irgendwas zu verändern, da mache ich mir nichts mehr vor. Aber zumindest Mode kann vom Kino beeinflusst werden. Als ich in „Butch Cassidy and the Sundance Kid“ einen Schnurrbart trug, wollten nachher alle einen. Dabei hatte mein Agent mir noch gedroht: Mach das nicht, das wird deine Karriere ruinieren.
Wie motivieren Sie sich, trotzdem weiterzuarbeiten?
Weil es sich gut anfühlt, Filme wie diesen zu machen. Das ist die Rolle, die ich als Bürger spiele: Meine Stimme zu nutzen, mein Recht auf Meinungsfreiheit. Es geht gar nicht so sehr darum, was richtig oder falsch ist. Ich will keine Antworten geben, das wäre sonst Propaganda. Ich will Fragen stellen, zum Nachdenken provozieren, und entscheiden kann dann das Publikum.
Interview: Matthias Schmidt, Bernd Teichmann