"Greyhound" auf Apple TV+ Es stinkt nicht - warum sich Tom Hanks mit diesem Film verhoben hat

Tom Hanks in "Greyhound"
Tom Hanks spielt in "Greyhound" den nachdenklichen Kapitän Ernest Krause
© AppleTV+
22 Jahre nach "Der Soldat James Ryan" ist er wieder in einem Weltkriegsepos zu sehen: Tom Hanks spielt die Hauptrolle in "Greyhound". Die Erwartungen sind hoch, der Oscar-Preisträger hat das Drehbuch selbst verfasst. Umso größer ist die Enttäuschung.

Die Wasserbomben knallen ins Meer. Eine riesige Welle schwappt über den Atlantik. Es brodelt und braust. Dann beginnt für Kapitän Krause und seine Mannschaft des US-Zerstörers "Greyhound" das bange Warten. Haben sie das Nazi-U-Boot erwischt? Oder konnte der Feind doch entkommen und bleibt eine Bedrohung? Gewissheit bringt ein schwarzer Fleck, der sich auf dem Meer ausbreitet. Es ist Schweröl und bedeutet: Treffer und versenkt. "50 Krauts sind tot", jubelt ein Matrose. "50 Seelen", schiebt ein nachdenklicher Kapitän hinterher. Geballer mit Tiefgang.

Szenen wie diese sind typisch für "Greyhound". Tom Hanks spielt in dem Drama den US-Marine-Kommandanten Ernest Krause. 22 Jahre nach "Der Soldat James Ryan" ist der Hollywoodstar wieder in einem Weltkriegsfilm zu sehen. Die Erwartungen sind auch deshalb hoch, weil Hanks das Drehbuch nach der Romanvorlage "The Good Shepherd" von Cecil Scott Foster selbst geschrieben hat. "Ich habe nicht bewusst einen Kriegsfilm ausgesucht, den ich als nächstes drehen wollte", sagte Hanks auf der Pressekonferenz zum Film. Vielmehr habe ihn die Geschichte Krauses fasziniert. "Würde es nur um Strategie oder Taktik gehen, fände ich das langweilig", sagte er dem stern. Aber in "Greyhound" stehe menschliches Verhalten und die enorme psychische Belastung im Vordergrund. "Es ist kein typischer Zweiter-Weltkrieg-Film."

Der altgediente Kapitän Ernest Krause soll am Ende seiner Laufbahn eine schier aussichtslose Aufgabe übernehmen: Auf seinem Zerstörer soll er eine Armada von 37 Schiffen mit Soldaten und Kriegsgerät sicher über den Atlantik führen, um die Invasion in der Normandie vorzubereiten. Doch ein Wolfsrudel deutscher U-Boote gefährdet die Überfahrt. Krause und seine Crew überkommen immer wieder Selbstzweifel. Die Erfolgsaussichten ihrer Mission und das Vertrauen in den Kapitän steigen erst, als er mit Geschick und Glück ein deutsches U-Boot versenkt.

In "Greyhound" knallt und raucht es

Die gute Nachricht für Fans von Kriegsfilmen: "Greyhound" ist nicht nur ein Psychogramm eines Flottenkapitäns - es knallt und raucht trotzdem. Die Tricktechniker haben ganze Arbeit geleistet. Obwohl die Mannschaft keinen einzigen Tag auf offener See gedreht hat – die meisten Szenen wurden im Studio und auf dem ausgedienten Zerstörer USS Kidd aufgenommen, der heute als Museumsschiff in Baton Rouge im US-Bundesstaat Louisiana liegt – wirken die Kriegsszenen echt. Mit viel Liebe zum Detail werden das Abhören des Sonars, die Zeichnung von Lageplänen und das Abfeuern der Torpedos inszeniert. Doch trotzdem bleibt das Katz- und Maus-Spiel zwischen deutschen U-Booten und der alliierten Flotte merkwürdig clean.

Trailer: "Greyhound" –  Kriegsdrama mit Tom Hanks startet am 10. Juli
Der Trailer zum Kriegsdrama "Greyhound" mit Tom Hanks

Es stinkt nicht auf der USS "Greyhound". Das liegt zum einen daran, dass die Schrecken des Krieges nur vage angedeutet werden. Als eines der Schiffe der Flotte versenkt wird, sieht der Zuschauer einen Feuerball und am Ende Särge, die zu Wasser gelassen werden. Keine Verletzten, keine Leichen und keine Kameraden am Ende ihrer Kräfte. Stattdessen ein nachdenklicher und zwiegespaltener Kapitän, der selbst an den Erfolgsaussichten seiner Aufgabe zu zweifeln scheint.

Tom Hanks fehlt der böse Gegenspieler

Ja, Hanks ist in Höchstform. Die Rolle ist ihm auf den Leib geschrieben. Doch er hat Krause für einen Commander teilweise zu nett und empathisch angelegt. Selbst mit dem Gegner scheint er Mitleid zu haben. Wenn er dann noch Kaffee bestellt, um diesen im Porzellanbecher auf der Brücke zu sich zu nehmen, droht der Film ins Traumschiff-Genre abzugleiten. Ein Weichei als Anführer eines Zerstörers? Die Zuschauer fühlen Krauses innere Zerrissenheit. Das macht "Greyhound" trotz Bomben und Getöse zu einem Anti-Kriegsfilm.

Der Dramaturgie hätte ein böser Gegenspieler allerdings gut getan. Ein Nazi mit Augenklappe – in bester James-Bond-Manier. Vielleicht wäre der Ausgang des Films dann nicht so vorhersehbar geraten. Leider bleiben auch die Figuren neben Krause blass. Ob sie überleben oder nicht – dem Zuschauer bleibt's eineinhalb Stunden lang egal.

Ein würdiger Nachfolger für "Saving Private Ryan" ist "Greyhound" nicht. Der Oscar gekrönte Spielberg-Klassiker warf die Frage auf: Wie viele Menschen dürfen sterben, um einen zu retten? Doch in "Greyhound" sucht man eine Meta-Ebene vergebens. So bleibt es bei gut inszeniertem Geballer und Hanks in der Hauptrolle. Ein Filmabend könnte schlechter sein. Doch zum herausragenden und mitreißenden Kriegsepos reicht es nicht. Tiefgang ja - aber in ziemlich seichten Gewässern.

"Greyhound" mit Tom Hanks ist ab dem 10. Juli exklusiv beim Streamingdienst AppleTV + abrufbar

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