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Hörbuch-Tipp Wie man mit Alkohol ganz wunderbar den Tag strukturiert

Der Schauspieler Joachim Meyerhoff bei einer Lesung in Köln.
Der Schauspieler und Autor Joachim Meyerhoff liest in "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" selbst. Das autobiografische Kammerspiel ist der dritte Teil in der Reihe "Alle Toten fliegen hoch". Im November erscheint Teil vier.
© Horst Galuschka/ DPA / Picture Alliance
Wie hält es der zwanzigjährige Enkel auf Selbstfindungstripp zwei Jahre bei seinen ihre Marotten liebenden Großeltern in einem rosa Mädchenzimmer aus? Er nur mit Humor. Sie mit Alkohol.  Zu hören in: "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke".
Von Henry Lübberstedt

Worum geht es?

Wer den Schauspieler Joachim Meyerhoff nicht kennt, und das ist jenseits der Arte-Zielgruppe gut möglich, dessen Weg wird nach dem ersten Kapiteln von "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke!"  sehr wahrscheinlich Wikipedia sein.

Ist es denn wirklich möglich, so abgedrehte Großeltern zu haben? Großeltern, die völlig aus der Zeit gefallen in ihrer Villa bei München mit Hingabe schräge Marotten pflegen und ihren Tagesablauf mit Hilfe von Alkohol in all seinen Varianten strukturieren?

Vielleicht hat Meyerhoff hier und da noch eine Schippe draufgelegt, doch diese Großeltern gab es tatsächlich, und er hat die beiden geradezu liebevoll seziert. Die Hörbuch-Version seines Buches liest er selbst. Eigentlich darf das auch kein anderer. Nur Enkel dürfen Oma und Opa derart schonungslos beobachten und der Nachwelt hinterher auch noch so davon erzählen, dass ihr vor Lachen die Luft wegbleibt. 

Etwa wenn er fasziniert die diversen Haltegriffe im Badezimmer seines Großvaters inspiziert und beobachtet, wie sich der greise Herr "einem uralten weißhaarigen Gibbon gleich" an ihnen durch das Bad hangelt. Oder wie ihm eines Tages auffällt, dass die beiden morgens zwar gurgeln, aber nie ausspucken… Er schleicht sich ins Bad und probiert die geheimnisvolle, selbst angemischte Gurgellösung – es ist nichts anderes als Schnaps. Nur der erste Drink in einer langen Reihe bis zum späten Abend:  vom Frühstücks-Schampus, dem Mittagswein, dem 20-Uhr-Whisky bis zum Nacht-Contreau. Angeduselt geht es dann per Treppenlift ins Bett.

Cover von Joachim Meyerhoff - Diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
Wie hält es ein zwanzigjähriger Schauspielschüler auf Selbstfindungstripp bei seinen ihre Marotten pflegenden Großeltern in einem rosa Mädchenzimmer aus?  Die Antwort gibt Joachim Meyerhoff in seinem Hörbuch "Diese Lücke, diese entsetzliche Lücke".
© Randomhouse.com

Gelegenheit für die intensive Beobachtung hatte Meyerhoff reichlich. Während seiner  Schauspielausbildung lebte er über zwei Jahre bei seinen Großeltern. Er, der lange Kerl, mit seinen riesigen Füßen wohnte in einem rosa Zimmer. Wände, Vorhänge, selbst ein Teil der Möbel: Rosa. Jede Veränderung war verboten. Überhaupt verabscheuten die beiden Senioren Veränderungen.

Seine Großmutter, eine ehemalige Theater- und Fernseh-Schauspielerin und sein Großvater ein Philosophie-Professor im Ruhestand. Sie in jeder Hinsicht extrovertiert und ganz Diva, er verkopft zurückhaltend und der Autor Mitten in seiner Selbstfindung an der Otto-Falkenberg-Schauspielschule. Das autobiografische Werk lebt vom Alltag des Trios und trotz aller witzigen Episoden am Ende doch von einer Tiefe, die nachdenklich macht. Vor allem dann, wenn es um den Tod geht. Den Tod des Bruders, des Vaters und am Ende auch der geliebten Großeltern.

Wer spricht?

Joachim Meyerhoff, deutscher Schauspieler, geboren 1967. Mitglied des Ensembles des Wiener-Burgrtheaters und des Maxim-Gorgi-Theaters in Berlin.  Meyerhoff liest nicht, er spielt. Eigentlich ist es mehr leidenschaftliches Hörtheater als Hörbuch.  

Warum lohnt sich das Hörbuch?

Das Hörbuch "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" ist der dritte Teil der vierteiligen locker autobiografischen Reihe "Alle Toten fliegen hoch". Der vierte Teil erscheint am 09. November 2017. Der dritte Teil ist also ein guter Einstieg in die Welt der Meyerhoffs.

Das Hörbuch lohnt, weil es Autobiografie und  Humor sowie Tiefe und Warmherzigkeit miteinander vereint. Und wer zuvor nicht wusste, wer Inge Birkmann war, wird es nach dem Hörbuch garantiert "ergooglen" und die Großmutter von Joachim Meyerhoff auf YouTube in dieser Folge von Derrick anschauen: 

Was nervt?

Nichts.

Beste Stelle

"Einmal das Nilpferd, bitte!" Meyerhoff unter Zeitdruck und Geldmangel  an der Kasse des Münchner Zoos. Ihm bleiben nur noch ein paar Minuten, um sich auf die Rolle als Nilpferd vorzubereiten und hat überhaupt nicht die Zeit, sich auch noch die anderen Zoobewohner anzuschauen. Warum also den vollen Preis zahlen!

Für wen eignet sich das Hörbuch?

Besonders für Menschen, die selbst ein gutes Verhältnis zu den Großeltern haben oder hatten. So manche Marotte erkennt man garantiert wieder.

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