"Um Musik gut zu spielen, muss man eine Balance zwischen Kopf, Herz und Bauch finden", hat der weltberühmte Dirigent Daniel Barenboim einmal gesagt. Fehle eine dieser Komponenten oder sei sie zu stark, würde die Musik im Ganzen unbrauchbar werden. Bezogen auf die Fotografie müsste der Satz wohl lauten: Um gute Bilder zu machen, muss der Fotograf eine Balance zwischen sich selbst, seinem Motiv und dem Moment finden.
Genau das ist dem Fotografen Peter Dammann mit "Ein Jugendorchester in Palästina" gelungen. Wer durch seine gleichnamige Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg schlendert, der fühlt sich fast wie ein Eindringling - so intim wirken die Augenblicke, die Dammann eingefangen hat. Über vier Jahre hinweg hat Dammann den Aufbau eines Jugendorchesters in Palästina begleitet. Entstanden sind 50 Schwarzweiß-Aufnahmen, die eindrucksvoll zeigen, wie in Zeiten von Hass und Gewalt die Musik Hoffnung macht.
Musizieren für den Frieden
Da ist zum Beispiel das Foto des achtjährigen Achmet: Sein von Kopf bis Fuß in Tarnkleidung gehüllter Körper ist angespannt, in den Händen aber hält er beinahe zärtlich eine Geige. In diesem Moment scheint für den Jungen das Leben unter israelischer Besatzung vergessen. Was zählt, ist die Musik. Kopf, Herz und Bauch sind auf dem besten Wege, ins Gleichgewicht zu geraten, und der Betrachter des Fotos wird Zeuge des Selbstfindungs- und Heilungsprozesses einer traumatisierten Kinderseele.
Achmet ist nur eines von vielen palästinensischen Kindern, denen durch eine entsprechende musikalische Förderung eine Zukunftsperspektive gegeben werden soll. Seit 2003 baut die Barenboim-Said-Stiftung in Kooperation mit palästinensischen Schulen in Ramallah ein Jugendorchester auf. Inzwischen unterrichtet ganzjährig ein internationales Musikerteam die jungen Projektteilnehmer. Die Initiatoren, Star-Dirigent Barenboim und der verstorbene palästinensische Literaturwissenschaftler Edward Said, hatten bereits das weltbekannte "West-Eastern Divan Orchestra" geschaffen, in dem Israelis und Araber Seite an Seite musizieren. Nun soll der Aufbau des Jugendorchesters die Aussöhnung im Nahen Osten weiter voranbringen, denn - so der Grundgedanke der Barenboim-Said-Stiftung - Musik verbindet und schafft Frieden.
Peter Dammann begleitet das Projekt seit Jahren und war selbst acht Monate vor Ort. "Mich fasziniert einfach die Idee, mit Kultur dort etwas erreichen zu können, wo die Politik versagt", meint der 57-Jährige. Ohnehin verstehe er sich weniger als Fotokünstler denn als Journalist, "der sich für sein Ziel, abgedruckt zu werden, einer künstlerischen Arbeitsweise bedient". Seine Arbeit nennt er schlicht "begleitenden Bildjournalismus".
Nah dran und doch beinahe unsichtbar
Doch Dammann begleitet nicht nur, er nimmt auch teil: Auf seinen Fotografien ist eine solche Nähe und Vertrautheit zu erkennen, wie sie nur jemand festzuhalten vermag, der sowohl großartige Menschenkenntnis als auch Einfühlungsvermögen besitzt. Dammann besitzt beides. Das beweisen auch seine bisherigen Fotoprojekte, die sozialkritisch, ernsthaft und optimistisch zugleich sind. Diese Gegensätze sind es, die seinen Fotografien so eine Tiefe verleihen.
Der Betrachter nimmt Anteil an einem Geschehen, das nicht vor, sondern mit der Kamera stattfindet. Denn die Verbindung zwischen dem Fotografen und seinem Motiv ist so vollkommen, dass dabei - im positiven Sinne - jegliche Distanz verloren geht. "Ich fotografiere sehr weitwinklig, da muss man dicht dran sein", sagt Dammann. Und dennoch: Die Blicke der Mädchen und Jungen sind so rein, ihr Handeln ist so unverfälscht, als sei der Fotograf während seiner Arbeit unsichtbar gewesen.
In gewisser Hinsicht war er das auch. Der vielfach ausgezeichnete Dammann lebte mit den Musikern in einer Wohngemeinschaft, kochte mit ihnen, teilte mit ihnen ein Bad. Am Ende sei er selbst „Teil des Projekts“ gewesen, sagt Peter Dammann, man habe ihm einfach vertraut. Diese perfekte Einheit vom Fotografen, seinem Motiv und dem Moment findet sich in nahezu allen ausgestellten Fotografien wieder.
Letztlich gibt es nur eins an der Ausstellung zu bemängeln: Die Mehrzahl der Bilder hängt beinahe gequetscht in einem Seitengang und kann so seine Wirkung nur eingeschränkt entfalten. Die Fotografien könnten mehr Platz vertragen, aber selbst unter den widrigen Umständen ist ihre Aussagekraft immens.
Die Ausstellung "Ein Jugendorchester in Palästina" ist bis zum 21. September im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zu sehen. Mehr Informationen finden Sie auf mkg-hamburg.de.