Krieg in Nahost Diese Länder erkennen Palästina jetzt offiziell als eigenen Staat an

Kanada verfolge im Nahost-Konflikt weiter die Zweistaatenlösung, erklärt Mark Carney
Kanada verfolge im Nahost-Konflikt weiter die Zweistaatenlösung, erklärt Mark Carney
© Chris Young / AP / DPA
Die ersten G7-Staaten haben ihre offizielle Anerkennung eines Palästinenserstaates bekanntgegeben. Weitere Länder dürften folgen. Politiker in Israel zürnen.

Großbritannien und Kanada haben als erste große westliche Wirtschaftsnationen die Anerkennung eines palästinensischen Staates beschlossen. Das gaben die Premierminister Keir Starmer und Mark Carney kurz vor Beginn der UN-Generaldebatte in der kommenden Woche in New York bekannt. Nahezu zeitgleich zur Bekanntgabe Großbritanniens und Kanadas verkündete auch Australiens Regierungschef Anthony Albanese, einen Palästinenser-Staat formal anzuerkennen. Am Sonntagabend zog auch Portugal nach.

Kanada verfolge im Nahost-Konflikt weiter die Zweistaatenlösung, erklärte Carney. Die israelische Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu arbeite systematisch daran, die Entstehung eines palästinensischen Staates zu verhindern. Deswegen erkenne Kanada nun als Teil einer internationalen Initiative einen palästinensischen Staat an, um die Perspektive einer Zweistaatenlösung zu erhalten, erklärte Carney weiter.

Starmer hatte Israel bereits Ende Juli mit der Anerkennung eines palästinensischen Staates gedroht. Damals machte er die Entscheidung noch davon abhängig, ob Israel seinen Kurs im Gaza-Krieg ändern würde.

Bei der UN-Generaldebatte in der kommenden Woche in New York wollen weitere G7-Staaten wie Frankreich und andere westliche Nationen wie Belgien und Neuseeland nachziehen.

Damit wollen die Länder neuen Schwung in die Bemühungen um eine friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern bringen – und dies inmitten des Gaza-Kriegs, in dem die israelische Armee ihre Angriffe zuletzt nochmals ausgeweitet hatte.

Deutschland und die USA halten sich zurück

Die USA sind Israels engster Verbündeter und lehnen – wie Deutschland – die Anerkennung eines palästinensischen Staates zu diesem Zeitpunkt ab. Deutschlands Außenminister Johann Wadephul bekräftigte zuletzt die Position der Bundesregierung, "dass ein Palästinenser-Staat jetzt nicht anzuerkennen ist, aber dass eine Zweistaatenlösung möglich sein muss".

Mit der sogenannten Zweistaatenlösung ist die Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates gemeint, der friedlich Seite an Seite mit Israel existieren soll. Sie gilt als das international anerkannte Ziel für eine Lösung des Nahost-Konflikts. Deutschland setzt daher weiterhin auf eine Verhandlungslösung. Doch alle Versuche einer friedlichen Einigung beider Seiten waren bisher gescheitert, die letzten Gespräche gab es 2014.

Netanjahu: Palästinenserstaat bedroht Israel

Israels rechtskonservativer Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte die Idee eines entmilitarisierten palästinensischen Staates einst ebenfalls unterstützt, rückte dann jedoch davon ab. Seine gegenwärtige Regierung lehnt eine Zweistaatenlösung strikt ab. Stattdessen prangert er die Anerkennung eines Palästinenserstaats als Bedrohung für die Existenz Israels an. Ein international anerkannter Palästinenserstaat würde "unsere Existenz gefährden" und sei "eine absurde Belohnung für Terrorismus", sagte Netanjahu am Sonntag vor seinem Kabinett.

Israel werde bei den Vereinten Nationen und anderswo gegen "falsche Propaganda" und "Forderungen nach einem palästinensischen Staat" kämpfen, kündigte Netanjahu an. "Die internationale Gemeinschaft wird in den kommenden Tagen von uns zu diesem Thema hören."

Netanjahus Regierung treibt gleichzeitig den Siedlungsausbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem stetig voran. In den Gebieten leben mehr als 700.000 Siedler neben rund drei Millionen Palästinensern. Die Palästinenser beanspruchen sie ebenso wie den Gazastreifen für ihren eigenen Staat. Durch Israels fortschreitende Besiedlung bliebe davon jedoch schon heute nur ein "Flickenteppich" übrig. Insofern kommt der Vorstoß Großbritanniens und anderer einflussreicher Länder de facto einer eher symbolischen Anerkennung eines Staates ohne Land gleich.

Israelische Politiker fordern drastische Maßnahmen

Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir reagierte auf die offzielle Anerkennung eines Palästinenserstaates durch Kanada, Australien und Großbritannien mit der Forderung nach einer sofortigen Annexion des Westjordanlands. Außerdem müsse die Palästinensische Autonomiebehörde, die er als "Terrorbehörde" bezeichnete, komplett zerschlagen werden, forderte er in einem Post auf der Plattform X.

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Ben-Gvir verurteilte die Anerkennung mit Blick auf das beispiellose Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 als Preis für Mörder, die der islamistischen Terrororganisation Hamas angehörten. Er werde bei der nächsten Regierungssitzung einen Vorschlag zur "Ausweitung der (israelischen) Souveränität" vorlegen – damit ist de facto eine Annexion gemeint, die einen eigenen palästinensischen Staat in noch weitere Ferne rücken ließe.

Auch der ultrarechte Finanzminister Bezalel Smotrich schrieb bei X, die Zeiten seien vorbei, in denen Großbritannien und andere Länder über Israels Zukunft bestimmt hätte. Das britische Mandat sei "beendet, und die einzige Antwort auf diesen antiisraelischen Schritt ist es, die Souveränität über die angestammten Gebiete des jüdischen Volkes in Judäa und Samaria (zu erklären) und die törichte Idee eines palästinensischen Staates für immer von der Tagesordnung zu nehmen". An die Adresse seines Chefs, des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, schrieb er: "Es ist an der Zeit – es liegt in Ihren Händen."

Auch der israelische Parlamentspräsident Amir Ochana verurteilte die Anerkennung und nannte den britischen Premierminister Keir Starmer einen "modernen Beschwichtigungspolitiker, der die Schande gewählt hat".

Angehörige von Gaza-Geiseln entsetzt

Auch Angehörige der israelischen Geiseln im Gazastreifen verurteilten die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch Großbritannien, Kanada und Australien. Noch immer befänden sich nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 48 Geiseln in der Gewalt der islamistischen Terrororganisation Hamas, hieß es in einer Mitteilung des Forums der Geiselfamilien. Eine Anerkennung könne erst nach ihrer Freilassung erfolgen – das sei eine "moralische und humanitäre Pflicht". 

Die Familien bekräftigten ihren Wunsch nach Frieden in der Region, forderten aber gleichzeitig, dass internationale Gespräche über eine "Zeit danach" im Gazastreifen nur unter dieser Voraussetzung geführt werden sollten. Wer dies ignoriere, handele gegen das Völkerrecht und stärke den Terrorismus, argumentierten sie.

Hinweis: Dieser Beitrag wurde mehrfach aktualisiert.

DPA · AFP
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