Wer hätte gedacht, dass der Satz "Martin Semmelrogge ist heil in Australien gelandet" die Nation mal so beruhigen würde, zumindest Teile davon. Aber der Reihe nach.
Vor drei Jahren saß ich mit meinem Freund Oliver auf einer Düne, nah unserem Hotel, blickte aufs Meer und dachte: "Wer weiß, womöglich ist dies bereits das letzte Mal, dass wir hier sitzen werden." Woher kam dieser Defätismus?
Schon Anfang 2020 ließ die Welt einiges an Zuverlässigkeit vermissen: Trump, Brexit, Bolsonaro. Zumindest dieser mimikbefreite Putin schien berechenbar. "Der wird ja nicht …"
In Frankreich war Notre-Dame gerade gelöscht, da brannten erst die Affen im Krefelder Zoo, weil drei Frauen dachten, es wäre eine tolle Idee, verbotene chinesische Lichter aufsteigen zu lassen – und danach entflammte gleich der australische Kontinent. Was RTL nicht davon abhielt, das Dschungelcamp unweit der Brandherde abzuhalten, weil, nun ja, der respektvolle Verzicht auf Känguruklöten-Olympics eben nicht einen einzigen Brand löscht.
Micky Beisenherz: Sorry, ich bin privat hier
Mein Name ist Micky Beisenherz. In Castrop-Rauxel bin ich Weltstar. Woanders muss ich alles selbst bezahlen. Ich bin ein multimedialer (Ein-)gemischtwarenladen. Autor (Extra3, Dschungelcamp), Moderator (ZDF, NDR, ProSieben, ntv), Podcast-Host ("Apokalypse und Filterkaffee"), Gelegenheitskarikaturist. Es gibt Dinge, die mir auffallen. Mich teilweise sogar aufregen. Und da ständig die Impulskontrolle klemmt, müssen sie wohl raus. Mein religiöses Symbol ist das Fadenkreuz. Die Rasierklinge ist mein Dancefloor. Und soeben juckt es wieder in den Füßen.
Zu den prominenten Kritikern der Buschbanalitäten zählte damals ein gewisser Karl Lauterbach. Dieser sollte bald zu einer beispiellosen Pandemieprominenz gelangen, da parallel zu unserem Kakerlakenfest in Murwillumbah an einem anderen Ende der Welt jemand sich statt für einen Big Mac für die Fledermaussuppe entschied. Der Rest ist hinlänglich bekannt und so manchen noch im Herz-Kreislauf-System verhaftet.
Im Supermarkt hier im Nachbarörtchen ist alles so, wie ich es vor drei Jahren verlassen habe. Lediglich ein kleines Körbchen mit Einwegmasken an der Kasse erinnert noch an die globale Pausetaste, die unser Leben dominiert hatte. Die Einreise nach Down Under unterliegt keinerlei Auflagen mehr. Kein Test, kein Gesundheitszeugnis, kein Impfnachweis. Das ist insofern bemerkenswert, als dass Novak Djokovic noch vor einem Jahr in einem australischen Hotel festsaß, weil er sich erdreistete, als Ungeimpfter zu den Australian Open einreisen zu wollen.
Das Dschungelcamp ist zurück in Australien
Ich hatte damals auf dieser Düne gewiss keine Ahnung davon, was da hinter dem Horizont auf uns lauerte. Konnte ich erwarten, wieder an einem breiten Strand zu sitzen, während so viele andere Teammitglieder im Laufe der Jahre bereits überraschend aus unserer Mitte gerissen wurden?
Manni, Robert, Kyle, Dickie. Haben sie je einen Gedanken daran gehabt, dass sie heute nicht mehr unter uns sein würden, und, mein Gott, hätten sie sich im Ansatz vorstellen können, was sie verpassen würden? Pandemie! Putin! Prinz Harry!
Hätten Sie alle gekannt? Das sind die Stars für Australien

Das Unaufregendste an unserer Zeit sind nunmehr die Entwicklungsschritte zwischen dem iPhone und seinem neuen Nachfolger. Hätte man auch nicht gedacht. Gerade deshalb kommt nun der gute alte Eskapismus ins Spiel. Kann es mehr Realitätsflucht geben als ein Camp voller Umlautprominenter, die schon seit Jahren erfolgreich die eigene Realität verweigern? All das in einer Gegend so fern von schmelzenden Gletschern und nasskalten Berliner Straßen voller Böllermatsch.
Als Zuschauer muss ich hier nicht entscheiden, ob ich für oder gegen schwere Waffen bin. Es entscheiden allein die Sympathie, der Fleiß oder – auch eine wichtige Kompetenz – dass eine(r) nicht nervt. Und das ist in Zeiten, da alles und alle irgendwie stressen, eine Menge wert. Banale Grande. Schön, wieder hier zu sein.