Der 23-jährige Rapper Curse zählt zu den absoluten Stars der hiesigen Hip-Hop-Szene. Der Titel seines gerade erschienenen zweiten Albums, »Von innen nach außen« (Jive/Zomba), ist Programm: Die prägnanteste MC-Stimme Deutschlands bannt mit verschachtelter Lyrik über Gefühl, Glauben und Weltschmerz.
Zwischen Authentizität und Erfolgsdruck
Ohne Zweifel bewegt sich auch Curse als Künstler innerhalb bestimmter Mechanismen der Plattenindustrie und des Genres. Der Rapper mit Brille und Glatze weiß, dass auch seine Plattenfirma gute Verkaufszahlen erzielen möchte. Ebenso weiß er um die - gerade in der deutschen Szene hitzig geführte- Diskussion um Authentizität. Doch Curse ist kein Künstler, der nur nach einem Stück des Kuchens giert.
Rakim lässt grüßen
Curse ist Rap. Wie sonst könnte man dem neuen Album des Wortakrobaten aus Minden anhören, dass er die Herausforderung einer Gratwanderung zwischen Szene, Markt und künstlerischem Gehalt annimmt? Und damit nicht genug: Curse wird mit seiner Reise »Von innen nach aussen« zum deutschen Pendant einer amerikanischen Hip-Hop-Größen wie Rakim.
Ebenso wie die MC-Legende aus New York, fasziniert Curse mit einer packenden Trias aus Musik, Stimme und Inhalt. Auch wenn Michael Kurth, so der bürgerliche Name des Protagonisten, behauptet, dass der Nachfolger seines Debüts »Feuerwasser« musikalischer geworden sei, ist die im Hip-Hop gradmessende »dreckige«, vermeintlich unmusikalische, pumpende Komponente parallel zu hören und zu spüren.
Charismatische Persönlichkeit
Zahlreiche Piano-Samples untermalen grandios die präzisen, auf voller Zeilenlänge betonten Raps. Auch wenn das Album mit einer ansehnlichen Gästeliste aufwartet, Künstler wie Samir, Azad, Tone, Xavier Naidoo oder King Kool Savas im Boot sind, versteht es kein deutscher Hip-Hop-Künstler, seine Persönlichkeit derart charismatisch strahlen zu lassen.
Liebeserklärung an alle Frauen
Curse ist Rap. Wie sonst könnte er die Egomanie von Kollegen wie Samy Deluxe erfolgreich umschiffen und nicht weniger versiert mit sonorer, unverwechselbarer Stimme über Episoden seines Lebens und verunglückter Liebe rappen? In Stücken wie »Wüstenblume« nimmt er die Position eines Chronisten ein, der liebevoll, ganz im Stil seiner Lieblingsautorin Toni Morrison, das Leben einer gebeutelten Frau nachzeichnet. Dem anderen Geschlecht ist auch »Süssholz (Balsam für meine Seele)« gewidmet: Machismo und Sexismus sind weit weg. Der Mann von der Weser rappt eine Liebeserklärung an alle Frauen - von der Exfreundin bis zur Großmutter.
Hier wird sein Bruch mit den ungeschriebenen Gesetzen der deutschen Hip-Hop-Szene deutlich. Kann jemand, der von Liebe, Gefühle und Gott rappt hart und authentisch sein? Oder wird er wohlmöglich selbst zur Zielscheibe selbsternannter Authentizitätspolizisten? »Ich lasse mich in keinen Streit hineinziehen, mache mein Ding«, beschreibt Curse seine Marschroute. Ein Ansatz, der ihn zum geliebten Einzelgänger gemacht hat, der Teilen der Szene kritisch gegenübersteht.
Texte ohne Klischee
Wäre Curse eine Fußballer, würde man sagen, dass er dahin geht, wo es wehtut. Auf seine Musik übersetzt ist das gleichbedeutend mit einem harten, oft schmerzlichen Fokus auf fatalistische Liebe oder auf eine exaltierte Welt. Das Attribut »hart« ist hier keine schlecht sitzende Maske, kein Klischee, sondern logische Konsequenz ehrlicher Musik, die ernste Themen nicht ausspart. Und doch auch sehr weltliche Aspekte verarbeitet. Ohne den berühmten Zeigefinger zu bemühen, verfehlt selbst ein Acapella-Stück gegen dreiste Webpiraten nicht seine Wirkung: »Wenn sich mein Album verkauft, dann krieg' ich Prozente. Wenn ihr euch das per Download im Netz holt, krieg ich niente!«