GEBURTSTAG Der Rätselmeister

Bob Dylan wird 60, aber nach Feiern ist ihm nicht zumute: Pünktlich zum Geburtstag kratzen Gerüchte am Image des Rock-Veteranen.

Von Thomas Burmeister

Nun rätseln sie wieder. Wie ist Bob Dylan wirklich? Woran glaubt er noch und wieso will er ausgerechnet an seinem 60. Geburtstag auf keiner einzigen der ungezählten Partys erscheinen, mit denen Amerika seine Ikone der populären Musik feiert?

Die Antwort - und daran hat sich seit Dylans erstem großen Album-Erfolg vor 38 Jahren nichts geändert - »is Blowin? in the Wind«. Kein Künstler, der eine vergleichbare Popularität erreichte, blieb auf so paradoxe Art geheimnisvoll wie der in der Kleinstadt Duluth (Minnesota) geborene Robert Allen Zimmermann, der sich Bob Dylan nannte (nach dem Dichter Dylan Thomas) kurz bevor er 1960 nach New York ging. Über Jahrzehnte hat er Songs geschaffen, die Fans in aller Welt als Offenbarung, als »Spiegel der Seele« verstanden.

Mieser Vater und Ehemann?

Aber war das wirklich Bob Dylans Seele? Zweifel türmten sich in den Monaten vor dem Jubiläum auf. Plötzlich soll der Mann, den das »Life«-Magazin regelmäßig in die Gruppe der »100 bedeutendsten Amerikaner des 20. Jahrhunderts« einreiht, ein mieser Vater und Ehemann gewesen sein. Heimlich, so erfuhr die erstaunte Fangemeinde kürzlich, war Dylan seit 1986 sechs Jahre lang verheiratet. Aus der Ehe mit der Gospelsängerin Carol Dennis hat er eine Tochter, die heute 15 Jahre alt ist.

Dass der »singende Poet« mit der kratzigen Stimme und dem herben Mundharmonikaspiel Anfang der 90er im Rahmen seiner »Never Ending Tour« pro Jahr noch weit mehr Live-Konzerte gab als sonst, soll nun keine Verbeugung vor den Fans mehr gewesen sein. Der Star habe einfach Millionen für die teure heimliche Scheidung zusammenkratzen müssen, behauptet der britische Autor Howard Sounes in einer neuen Biografie. »Down the Highway« kratzt stark am Image des angeblich so schonungslos ehrlichen Ex-Protestsängers und verkauft sich wohl auch deshalb genau so gut wie dessen wieder neu aufgelegte Erfolgsalben.

Ein erschreckend einsamer Mensch

Dylan selbst hat sich zu dem Buch, das ihn als erschreckend einsamen Menschen darstellt, nicht geäußert. Das passt zu seiner bekannten Scheu, wenn es um Privates geht. Was am 60. Geburtstag in dem Mann vorgeht, der einst die Rock- und Popmusik revolutioniert, durch poetische Texte und immer neue Stilelemente bereichert hat, lässt sich nur ahnen. Am besten vielleicht, wenn man sein bislang letztes Album mit neuen Songs auflegt.

»Time Out of Mind«, 1997 mit mehreren Grammys ausgezeichnet, ist ein melancholischer, trauriger Blick zurück auf die Jugendjahre, als Dylan, Joan Baez und ein paar andere die großen Hymnen der Studentenbewegung schufen. »Mein Sinn für Humanität ist durch den Abfluss gegangen«, bekennt »das Sprachrohr einer Generation« Jahrzehnte danach. »Ich streife durch den einsamen Friedhof meiner Gedanken«, erfährt man auf dem Album. »So ist das eben, wenn die Dinge auseinander fallen.«

Kein Jota optimistischer ist auch sein bislang letzter neuer Song ausgefallen. In »Things Have Changed«, der Dylan in diesem Jahr als Titelsong des Michael-Douglas-Films »Wonder Boys« einen Oscar einbrachte, klagt er: »Früher habe ich mich gekümmert, aber die Dinge haben sich verändert.« Doch damit beschäftigen sich rings um den 60. nur einige diskutierfreudige »Dylanologen« in wissenschaftlichen Seminaren. Für die meisten der mit ihrem Idol alt gewordenen Fans stehen die Dylan-Feten eher unter dessen 1974 ausgegebenen Motto »Forever Young«.

»Er ist unser Guru«

Da wird noch mal in alten Zeiten geschwelgt und mitgesungen, wenn »Mr. Tambourine Man« erklingt, »Lay Lady Lay« oder »Like a Rolling Stone«. Und nicht nur Dylan selbst wird in Discotheken und Radiostationen landauf und landab gespielt. Von Jimi Hendrix zu The Byrds, von The Hollies zu Rod Stewart, von Bob Marley zu Eric Clapton - die Songs keines anderen Musikers sind so oft und so erfolgreich durch Star-Kollegen interpretiert worden wie die von Bob Dylan. Paul McCartney sagte einmal über ihn: »Er ist unser Guru.« Das dürfte noch lange so bleiben. Schließlich hatte das Magazin »Time« schon beim Erscheinen von »Time Out of Mind« entschieden: Dylans »große Musik bleibt für immer jung«.

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