Zum Tod von James Last Tschüss, Hansi!

Eine Würdigung von Ingo Scheel
Sein Fingerschnippen war so legendär wie sein Bart. Er erfand den "Happy Sound" und groovte "à Go-Go". In Deutschland unter Easy Listening eingeordnet, war James Last im Rest der Welt ein Superstar.

Omma hörte Bata Illic, Oppa bevorzugte Volkslieder von Lolita. Muttern schwärmte von Neil Diamond und Howie Carpendale. Vattern stand auf Beatles und The Who, Sweet und Slade, da stieg ich dann mit ein. Wenn aber James Last mit den Fingern schnippte, hörten wir alle hin. James Last in den 70ern gehörte dazu wie Käseigel und Bonanzarad, wie Prilblumen, Ford Capri und Koteletten bis zum Knie. Im beschlagenen Rückspiegel der Geschichte mag die Frequenz bestimmter Gewohnheiten zum Gemeinplatz geraten: Das haben wir immer geguckt. Das haben wir immer so gemacht. Das haben wir immer gehört. Pustekuchen oftmals, nicht so beim guten James Last. Von dem stand in buchstäblich jeder Bude im sozialen Umkreis von 5 Kilometern mindestens eine, meistens mehr Platten im Regal: Happy Sound. Hammond Hits. Hits à Go-Go. Unterwegs mit Käpt’n James. Dancing Party, Party, Party.

Er brachte die Classics up to Date, bat Ännchen von Tharau zum Tanz und eroberte nebenbei nicht nur die Weltmeere, sondern auch weltweit Millionen von Hörern. Dass Last über einen derartigen Universalschlüssel in Sachen Sound verfügte, geriet zu Fluch und Segen. Die Plakette an seiner Schublade trug die Aufschrift "Easy Listening" und aus der gab es fortan kein Entrinnen. Dabei hatte James Last, bürgerlich Hans Last, genannt Hansi, ein stilistisches Portfolio, das weit über Schunkler und Polonäsen hinausging.

Spät von der Kritik bejubelt

Für den japanischen Ableger seiner Plattenfirma Polydor brachte er "Sekai Wa Futari" (Die Welt gehört den Liebenden) im Reich der Sonne auf den Markt. Er verkrachte sich mit Lotte Lenya, weil ihm die "Dreigroschenoper" ihres Gatten Kurt Weill "zu berechenbar" erschien, nur um mit der Neubearbeitung den Deutschen Schallplattenpreis einzuheimsen. Ein Album nannte er "Filmmusik ohne Filme", in den 70ern schrieb er TV-Melodien, landauf, landab lernten 10-jährige Jungs und Mädchen zu "Golf von Biscaya" das Akkordeonspiel.

Sein lange Zeit gut gehütetes Geheimnis führte ihn Mitte der 70er in die Staaten, wo er seinen Jazz- und Soulwurzeln nachging und mit US-Musikern, darunter Gitarrist Larry Carlton (Steely Dan, Crusaders) und Drummer Jim Gordon (Derek and the Dominos), einmal etwas Marktabseitigeres aufnahm. Selbst Quincy Jones ließ sich blicken und zeigte sich begeistert. Das Album "Well Kept Secret" erfüllte jedoch seinen Titel und floppte. Erst 2008 wurde es unter dem Titel "James Last in Los Angeles" wiederveröffentlicht und von der Kritik bejubelt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Blick auf den einstigen Easy-Listening-Papst längst gedreht. Die Hamburger Hip-Hopper Fettes Brot übten sich 1999 mit "Ruf mich an" im geschmackssicheren Schulterschluss, Harald Schmidt ließ in seinem Sat.1-Late-night Talk wochenlang ein Double fingerschnippend am Bühnenrand stehen, und US-Regisseur Tarantino brachte Lasts Panflöten-Schmachter, den "Einsamen Hirten", im Soundtrack von "Kill Bill" zum Leuchten. In der Londoner Royal Albert Hall hielt Last sage und schreibe 87 Mal Hof.

Mittendrin im Happy Sound

Ende der 90er bekam ich eine Einladung vom Meister persönlich auf den Redaktionstisch. Im Hamburger "Schöne Aussichten" sollte ein neues Album im "Happy Sound" aufgenommen werden. Last machte es auf seine Art. Keine Ambient-Spuren im Studio, keine dazugebauten Soundschnipsel - Last machte den Sound ganz organisch glücklich, happy. Das Schicksal wollte es, dass ich verhindert war, ich reichte das Ticket an meinen guten Freund Finn Johannsen weiter, der dankend annahm: "Es waren mehrere Busse mit seinen Fanclubs gekommen, vornehmlich weibliche Fans mittleren Alters. Die neuesten Gassenhauer kamen vom Band, es gab unbegrenzt umsonst Bier und Piccolos", erinnert sich Finn. "Beim Rausgehen verabschiedet er uns persönlich. Mein Freund sagte: "Herr Last, das war ein schöner Abend". Und Herr Last antwortete: "Und er ist noch lange nicht zu Ende!"

Ob ich mich ärgere, damals nicht dabei gewesen zu sein? Ganz sicher tue ich das.

Im Frühjahr dieses Jahres nun hatte James Last seine Abschiedstour beendet. Dem Mann von der Zeitung mit den vier Buchstaben hatte er mal sein Adieu so timingsicher wie eh und je ins Notizbuch diktiert: "Wenn ich im Sarg liege, mache ich den Deckel auf und dirigiere nochmal."

Ich werde heute abend "James Last in Los Angeles" aus dem Plattenregal ziehen und auflegen. Und mit den Fingern schnippen. Mach's gut, Hansi ...

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