Von hundert auf Null Moop Mama: Wieso die Band vom Stage-Dive träumt und warum Kultur nicht sterben wird

Brass-Band Moop Mama
Die Brass-Band Moop Mama besteht aus zehn Künstlern. Dem stern habn Rapper Keno Langbein (dritter von rechts) und Trompeter Menzel Mutzke (vierter von rechts) erzählt, wie sie die Krise meistern,
© Felix Pitscheneder
Die Brass-Band Moop Mama besteht aus zehn Musikern, die seit über einem Jahr nicht mehr zusammen auf der Bühne standen. Mit ihrer neuen Single "Schwimm" wollen sie Mut machen. Dem stern erklären Rapper Keno Langbein und Trompeter Menzel Mutzke, warum Musik nie sterben wird. 

Moop Mama besteht aus zehn Musikern. Wie oft standen Sie tatsächlich zusammen auf der Bühne seit März 2020?

Keno Langbein: Wir haben uns in diesem ganzen Zeitraum, der über ein Jahr schon geht, nur einmal in Vollbesetzung getroffen und nur einmal zusammen spielen können. In einem normalen Jahr sind es durchschnittlich um die 70 Shows. 20 bis 30 Festivals und ein bis zwei Touren.

Wie überlebt man das?

Menzel Mutzke: Ich habe verschiedene Förderprogramme und Stipendien beantragt, aber auch das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Es ist total der Kampf und du weißt eigentlich nie, wann du wieder was kriegst und ob du wieder was kriegst. Auch diese Überbrückungshilfen waren chaotisch, das Geld kam oft nicht oder zu spät an. Es ist wahnsinnig schwer zu überleben, aber ich glaube das Schlimmste ist die Ungewissheit, ob man überhaupt etwas kriegt. Das ist sehr zermürbend.

Moop Mama "Schwimm"
Die neue Single "Schwimm" ist ab jetzt erhältlich
© Moop Mama

Denkt man da ans Aufgeben?

Langbein: Eine ernsthafte Überlegung, die Band aufzulösen, gab es bis dato noch nicht. Aber viele in der Band haben sich andere Beschäftigungen suchen müssen und andere Jobs angenommen. Und wir merken es jetzt schon, wenn wir versuchen, Termine zu finden: Wir sind wieder bei einem Status wie vor vielen Jahren, als die Band noch nicht hundertprozentig professionell war und man immer sehen musste, was jeder so macht.

Der Kultur geht es nicht gut. Wie ist der Tenor innerhalb der Branche?

Langbein: Ich habe das Gefühl, dass es sehr viel Menschen in der Branche gibt, die gar nicht aufgeben wollen, die sich super viel ausdenken und am Ball bleiben. Aber es wird immer härter, sich dieser großen Unsicherheit entgegen zu stellen. Wieviel Energie kann man reinstecken in Projekte, die auf so wackeligen Beinen stehen? Selbst die Leute, die immer zuversichtlich sind und sagen, in der Kultur findet man immer eine Lösung, stoßen an ihre Grenzen. Ich habe es im ersten Jahr gar nicht so schlimm empfunden, nicht aufzutreten, weil ich Stimmprobleme hatte und ohnehin eine Pause brauchte. Jetzt im zweiten Jahr merke ich: Ewig warten auf eine Normalität, die vielleicht nicht zurückkommt – das geht einfach nicht.

Den Locations geht das Geld aus. Was bedeutet das für Live-Bands wie Moop Mama?

Mutzke: Die Kreativität geht nicht verloren und genauso wenig der Durst der Menschen nach Musik. Aber es gibt schon viele Locations, die es nicht mehr gibt. Als Jazzmusiker kriege ich das gerade besonders mit. Wenn es wieder losgeht, dann ist die Warteschlange der Bands schon so lang. Ich persönlich habe bei manchen Auftritten bereits den vierten Alternativtermin, weil drei schon abgesagt wurden. Das ist für jede Band erschreckend.

Gerade haben 53 deutsche Schauspielstars in der Aktion #allesdichtmachen die Regeln kritisiert und haben dafür viel Gegenwind, aber auch Lob bekommen. Wie kam die Aktion bei Ihnen als Band an?

Langbein: Wir haben da innerhalb der Band nicht drüber geredet und ich will auch gar nicht groß drüber sprechen. Und ich finde, solche Sachen brauchen nicht mehr Publicity, als sie eh schon haben. Wir sind in Deutschland in einer schwierigen Situation, aber verglichen mit anderen Orten in einer sehr luxuriösen und geschützten Position. Es gibt Förderungen und es gibt eine Kulturlandschaft, um die sich gekümmert wird und in die auch viel Geld gesteckt wird.

Man kann sich über alles Gedanken machen und man kann alles kritisieren – und muss man auch, weil Dinge passieren, die nicht alltäglich sind. Wenn wir da nicht mitdenken, können auch Sachen passieren, die nicht okay sind. Nichtsdestotrotz muss man es auch zu schätzen wissen. Das politische Klima ist so aufgeladen und es ist so viel Angst in der Luft, dass man aufpassen muss, was man mit seiner Öffentlichkeit macht. Und in welchen Wind man da hineinpustet. Da muss man gefühlvoll sein und informiert und wenn man das nicht ist, sagen: Hey, da sage ich jetzt nichts zu. Auch mal die Klappe halten.

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In "Schwimm" rappen Sie, Oma solle schneller geimpft werden als ein Fußballer. Daran besteht kein Zweifel. Aber da schwingt ja eine Kritik mit. Was läuft in Ihren Augen falsch?

Langbein: Man muss es vorsichtig formulieren, weil es sind oft die Verhältnismäßigkeiten, die nicht ganz stimmen. Wie ich schon gesagt habe: Die Kultur wird gestützt und es wird sich gekümmert. Aber der Aufbau unserer Gesellschaft ist so, dass das nicht im Vordergrund steht. Dass sehr in wirtschaftlichen Interessen gedacht wird. Das ist kein Problem der Corona-Krise, aber es wird durch die Corona-Krise sehr, sehr deutlich: Wer die Lobbys hat, wer das finanzielle Potential hat, Dinge zu bewegen und wer vielleicht nicht.

In Barcelona hat im März ein "Test-Konzert" unter Bedingungen stattgefunden. Mit Masken und Tests. Das war vielversprechend. Wie könnten Sie sich die Zukunft vorstellen?

Mutzke: Mein Kalender ist so voll wie vor Corona. Gefühlt jedes Wochenende ist belegt. Aber hinter jedem Konzert steht "to be confirmed" und es kommen natürlich auch Absagen rein. Die Veranstalter lassen sich natürlich noch Zeit. Wir hoffen, dass es in ein paar Städten funktioniert – aber wie das dann aussieht mit Abstandsregeln und Masken, da habe ich noch gar keine Vorstellung. Wir haben es bisher noch nicht gemacht.

Langbein: Die ganze Branche ist sehr kreativ in der Art und Weise, wie sie sich an die aktuellen Regeln anpassen. Aber die Sichtweite, mit der man planen kann, wird immer kürzer. In jedem Fall ist es schlecht, wenn man nicht planen kann, besonders in der freien Kulturszene, wenn es am Veranstalter hängen bleibt oder an den Bands. Wenn Veranstaltungen kurzfristig ins Wasser fallen, heißt das ja nicht, dass die Kosten auch wegfallen.

Wie kam es dazu, dass die Single "Schwimm" trotz dieser Corona-Müdigkeit entstanden ist?

Langbein: Der Song ist über einen längeren Zeitraum entstanden. Das war zu dem Zeitpunkt, als wir uns gefragt haben, wie wir als Band in dieser Situation eigentlich Musik machen können. Geht das online? Wieviel müssen wir uns dafür treffen? Der Moment der Inspiration war, als ich ans Stage-Dive gedacht habe. Und ich wollte gar nicht unbedingt einen Song über die Corona-Situation schreiben, sondern eher über die Stimmung innerhalb der Band. Ein Stage-Dive ist für mich ein Bild von gegenseitigem Vertrauen, von Nähe, von einer gewissen Menschlichkeit, die im Moment fehlt. Es ist kein knallhart politischer Song, sondern er fängt er dieses Gefühl auf.

Mutzke: Also ich hab noch keinen Stage-Dive gemacht.

Nächstes Mal dann bestimmt!

Langbein: Da sieht man mal wieder, wie der Frontmann komplett realitätsfern ist und keine Ahnung hat, was die normalen Leute erleben und dann stellt er sich in die Öffentlichkeit und redet so einen Mist! Fast so schlimm wie ein Schauspieler.

Wie genau haben Sie den Song aufgenommen?

Mutzke: Eigentlich war das ganz cool. Wir haben viel im Home Recording geprobt um zu schauen, wie das Arrangement aussehen soll. Das hat ausgereicht, um gut vorbereitet zu sein. Wir haben uns nur einmal getroffen, in Dangast, für eine Woche. Da haben wir dann letztendlich aufgenommen, aber es hat gar nicht mal so viel Probearbeit gebraucht. In dieser Hinsicht haben wir uns bewiesen, dass wir uns nicht für jeden Firlefanz treffen müssen und auch im Home Office arbeiten können. Vielleicht sogar zeitsparender.

Langbein: Es hat uns zu mehr Effizienz gezwungen. Aber man muss auch sagen, dass diese Situation gerade für uns als Band Grenzen hat. Die Band besteht aus vielen Blasinstrumenten und es braucht diesen Moment des Zusammenkommens. Es würde nie so klingen, wenn jeder seine Spur alleine aufnehmen würde.

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Die Single ist eine Durchhalteparole. Um mal ein bisschen Hoffnung zu machen: Warum wird Kultur nicht sterben?

Mutzke: Ich habe früher immer gedacht, wenn ich was anderes finden würde, was mir Spaß macht, brauche ich vielleicht nicht immer Musiker zu sein. Aber diese Zeit hat gezeigt, dass das überhaupt nicht funktioniert. Egal, womit ich mich beschäftigt habe, es hat alles schnell ein Gefühl von Leere hinterlassen. Für uns Musiker ist es essenziell, dass wir Musiker sind und das werden wir auch nach Corona immer sein. Und die Menschen werden Musik immer vermissen und wollen und durstig sein. Man kann uns nicht wegdenken, damit würde es keinem gutgehen.

Langbein: Kreativität ist nicht abhängig von Wirtschaftlichkeit. Künstler sind gewisse Ups und Downs gewöhnt. Als Gesellschaft müssen wir aufpassen, dass Kunst wertgeschätzt wird und unterstützt wird. Die Künstler selbst hören eh nicht auf, die schlagen sich durch und machen viel möglich. Als Band waren wir immer schon flexibel, trotz unserer Größe. Wir haben schon ein paar Ideen, die im Hinterzimmer brodeln, wie wir gerne spielen würden. Wir haben zum Beispiel immer schon Guerilla-Konzerte gespielt, ohne Veranstaltung. Vielleicht können wir uns auch der Zukunft so entgegenstellen, wenn Locations zu sind.

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