Zu den Pop-Sensationen der späten 90er Jahre gehörte Natalie Imbruglia. Bei ihrem Hit »Torn« lagen ihr die Männerherzen spätestens bei der so beiläufig gesungenen Zeile »... lying naked on the floor« zu Füßen, und das dazugehörige Album »Left Of The Middle« hatte auch etwas von einer Standortbeschreibung. »Nach diesem überwältigenden Erfolg habe ich mich unsicher gefühlt«, begründet sie die dreijährige Pause bis zur Veröffentlichung ihres zweiten Albums, dem gerade erschienenen »White Lilies Island«.
Raus aus dem Mainstream
In dieser Zeit hat sich die inzwischen 26-Jährige nicht nur äußerlich verändert: Der Kurzhaarschnitt ist zu einer langen Mähne herausgewachsen, die eine gewisse Unabhängigkeit von modischen Trends signalisiert. Und auch musikalisch klingt sie ungebändigter: Die erste Single, »That Day«, ist zugleich die entschlossenste Annäherung an härteren Gitarrenrock. »Ich finde das Image eines männlichen Rocksängers ganz schön cool« sagt sie. »Das neue Album ist rockiger ausgefallen, ich würde es Rock-Folk nennen. Ich bin stark beeinflusst von Joni Mitchell und Shawn Colvin.«
Achterbahnfahrt der Gefühle
Diese Vorbilder sind deutlich bei den langsameren Stücken wie »Butterflies« und »Come September« zu hören. Die Texte hat die in Australien aufgewachsene Tochter eines italienischen Vaters alle selbst geschrieben. »Der rote Faden in ?White Lilies Island? ist eine Achterbahnfahrt der Gefühle durch Leben und Liebe - das kann man sagen.«
Benannt hat sie es nach der Themse-Insel, auf der sie lebt. Und ja, das erste Album sei eingängiger gewesen. »Bei diesem musst du dich als Hörer mehr anstrengen. Aber es wird dann vielleicht auch länger gemocht. Ich möchte es so beschreiben: Es geht darum, Abschied zu nehmen, etwas im Leben hinter sich zu lassen. Dieses Album ist 100 Prozent von mir. Beim ersten gab es schon Einflussnahmen, Leute, die mir sagten, was ich tun sollte.«
Kein »Happy-Pop«
Dass sie sich mit dem rockigeren Sound von dem die Hitparaden dominierenden R&B meilenweit entfernt, ist ihr bewusst. »Aber ich denke, dass die Leute auch bereit sind, mal was anderes als Britney zu hören, die ich gut finde.« Mit der »Happy-Pop-Schiene« könne sie aber selbst nichts anfangen, sie wolle in ihren Liedern Geschichten erzählen wie ihr Vorbild Joni Mitchell.
Tournee in 2002
Möglich, dass Natalie Imbruglias zweites Album nicht den kommerziellen Erfolg ihres Debüts erreichen wird. Immerhin stieg es auf Platz 49 in den Charts ein. Musikalisch zeigt Imbruglia, dass sie mehr kann und nicht in die Legion der »One Hit Wonder« eintreten muss. In der Mitte des kommenden Jahres möchte sie in Europa auf Tournee gehen, kündigt sie an.
Uwe Käding, AP