Manche Platten sind wie eine Liebschaft mit jemandem, den man noch nie im Leben getroffen hat. Sie sind so intim, dass man sie mit keinem teilen möchte. Und dann findet man es komisch, dass auch andere sie kaufen, kopieren, zerkratzen dürfen. Bei den Platten von Maxwell ist das so. Darauf erzählt ein Mann nämlich offen von seinen Ängsten und Gefühlen – und hinterher denkt man, er hätte einem das alles ganz persönlich ins Ohr geflüstert. »Ich glaube«, schnurrt der Afrofrisur-Träger, »dass Männer, die ihre verletzliche Seite zeigen, es Frauen leichter machen, sie zu verstehen. Außerdem wird uns allen mal das Herz gebrochen. Und einer muss doch davon singen.«
Schon vor fünf Jahren begeisterte der heute 28-jährige Maxwell Zuhörer für männliche Soulstimmen, die vorher das kalte Grausen bekamen bei Macho-Säuseleien von Typen wie R. Kelly oder Montell Jordan. Während die nämlich prall im schwarzen Sportwagen rumfuhren, gab sich Maxwell auf seiner Debütplatte »Urban Hang Suite« lieber anschmiegsam und zerbrechlich. Und statt sich schnell auch so einen Flitzer zuzulegen, blieb er schmusig und seinen Vorbildern Marvin Gaye und Stevie Wonder treu, die schon in den Siebzigern tiefste Gefühle auf Platte gepresst hatten. Auch auf seinem neuen, dritten Album »Now« beschäftigt sich der Halb-Puertorikaner wieder ausgiebig mit seiner sanften Seite.
Damit ist Maxwell nicht allein: Gesangskollegen wie Bilal, D?Angelo oder Musiq Soulchild pflegen die dünnen Häutchen. Sie wollen Frauen lieber mit Gefühlen verführen als mit Geld. Keiner ist dabei so sexy wie Maxwell. Und während sich die anderen immer noch am Soul der Siebziger orientieren, klingt er mit seinen schwülen Keyboards und warmen Synthie-Beats schon ganz nach den Achtzigern.
Maxwell, der in einer rauen Gegend in Brooklyn aufwuchs, komponierte schon als Jüngling verträumte Liebeslieder auf seinem kleinen Keyboard. »Früher war ein One-Night-Stand die romantischste Erfahrung, die ich je hatte«, sagt er und lächelt entschuldigend. »Jetzt frage ich mich bei Mädchen eher, ob wir auch Freunde sein könnten.« Und er freut sich wie ein kleiner Junge über den alten Barry-White-Mythos, dass zu Soul, zu seiner Musik, Kinder gezeugt werden. »Es ist toll, mit all diesen Menschen im Bett zu sein. Sie liegen da, küssen sich und schlafen miteinander. Und ich darf dabei die ganze Zeit für sie singen. Das ist wirklich ein unglaublich ehrenhafter Job für mich.« Und einer muss ihn schließlich tun.
Von Florian Sievers