Stefan Raab "Mein Geschmack deckt sich eben oft mit dem der Masse"

Er ist der neue Pate der deutschen Popmusik: Stefan Raab über sein Erfolgsgeheimnis, die Krise der Musikindustrie und die Arbeit am Soundtrack von Bully Herbigs Film "(T)Raumschiff Surprise".

Herr Raab, Sie haben den Soundtrack zu Bully Herbigs Film "(T)Raumschiff Surprise" produziert, komponiert und zu großen Teilen auch selbst eingespielt. Wollen Sie jetzt ins Filmgeschäft wechseln?

Nein. Aber ich habe immer schon davon geträumt, einen Soundtrack zu produzieren, bei dem die Songs auch Bestandteil der Handlung sind und nicht nur Hintergrundgeträller. Eineinhalb Jahre habe ich an den Songs gearbeitet, oft auch nachts nach der Aufzeichnung von TV Total.

Auf dem Soundtrack trällert Bully Herbig unter dem Künstlernamen Brigitte Spuck, und Helge Schneiders musikalischer Beitrag heißt "Schnuffi Puffi". Können wir uns darauf einigen, dass es sich hier - wie beim Film - um professionell gemachten Klamauk handelt?

So einfach ist das nicht. Natürlich gibt es auf dem Soundtrack Nummern von Helge Schneider und Bully Herbig, die nicht so ernst gemeint sind. Aber man hört auch Songs von der amerikanischen Funk-Legende Bootsy Collins und dem Rock 'n' Roller Dick Brave alias Sasha. Außerdem ist nicht jedes lustige Lied auch gleich musikalischer Quatsch.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Bully Herbig?

Ich kenne Bully schon seit meiner Zeit bei Viva. Damals fing er gerade bei Prosieben an und kam einmal als Gast in meine Show. Seitdem haben wir regelmäßig etwas gemeinsam in unseren Sendungen gemacht. Vor zwei Jahren rief mich Bully an und fragte, ob ich nicht Lust hätte, den Soundtrack zu seinem Film zu produzieren. Wir haben uns bei mir zu Hause getroffen und, nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, noch am selben Abend damit begonnen, drei Nummern für den Film zu schreiben.

Das klingt nach einem netten Jungs-Netzwerk. Wie genau darf man sich das vorstellen?

Ganz einfach: Ich arbeite nur mit den Leuten, die ich auch persönlich mag. Anders kann ich das gar nicht. Lionel Richie, zu dem ich einen guten Draht habe, sollte übrigens auch auf dem Soundtrack sein. Am Anfang war er noch begeistert, doch als ich ihm erklärte, dass im Film eine Raumschiff-Crew die Hauptrolle spielt, die den Eindruck erweckt, schwul zu sein, hat er wohl kalte Füße bekommen.

Sie haben in den vergangenen zehn Jahren jedes Jahr einen Top-Ten-Hit gehabt. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Ich denke, mein Geschmack deckt sich eben oft mit dem der Masse. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Es könnte aber auch hilfreich sein, dass Sie Ihre eigene TV-Show haben.

Das ist ein typisches Vorurteil. Es ist ja nicht so, dass alles, was ich mache, Erfolg hat. Als ich beispielsweise vor ein paar Jahren als Eddie Rodriguez auftrat, wollte das kaum ein Mensch hören. Am Ende entscheidet immer noch das Publikum, ob es ein Produkt will - und nicht die Marketingabteilung einer Plattenfirma und auch kein TV-Produzent.

Die Musikindustrie musste in den vergangenen Jahren katastrophale Umsatzrückgänge verdauen. Haben Sie ein Rezept gegen die Krise?

Hab ich nicht, muss ich auch nicht haben. Aber ein Hauptproblem ist sicherlich, dass bei den Plattenfirmen oft mutlose Menschen arbeiten. Ich weiß noch, wie ich einen Exklusivvertrag mit einer großen Plattenfirma hatte und dort "Maschendrahtzaun" veröffentlichen wollte. Die Musikmanager winkten ab und sagten: "Seit 20 Jahren hat es keinen Countrysong mehr in den deutschen Charts gegeben. Mach daraus lieber eine Techno-Nummer. Dann funktioniert das." Daraufhin habe ich meine eigene Plattenfirma "Raab Records" gegründet und "Maschendrahtzaun" rausgebracht. Der Song hat sich mehr als eine Million Mal verkauft.

Die Plattenfirma BMG trennt sich jetzt von allen deutschen Künstlern, die zu wenig Platten verkaufen...

...was keine unmenschliche Schweinerei ist, sondern eine normale Rechnung. Mit 20.000 verkauften Platten kann man heutzutage oft nicht einmal ein Musikvideo bezahlen. Wer eine Frittenbude hat und seine Pommes nicht loswird, der muss seinen Laden auch irgendwann dichtmachen. So läuft das eben in der Marktwirtschaft. Warum sollte das in der Musikindustrie anders sein?

Selbst Künstlern aus der Casting-Show "Deutschland sucht den Superstar" wurden die Verträge gekündigt...

Viele von denen hätten gar nicht erst einen Vertrag bekommen dürfen.

Macht der Verkauf von Musik über das Internet die Plattenfirmen in Zukunft überflüssig?

So wird es kommen. Plattenfirmen werden nicht mehr in dieser Größe operieren können. Wir beispielsweise machen mit unserem Label "Rare" von der Produktion bis hin zum Marketing und Künstlermanagement alles selber und nutzen lediglich den Vertriebsweg der Plattenfirma.

Kaufen Sie Musik übers Internet?

Nein, aber das liegt daran, dass ich die meisten CDs als Produzent zugeschickt bekomme. Ich besitze aber einen MP3-Player und finde dieses Gerät großartig. Ich hätte selbst nichts dagegen, wenn ich meine eigene Musik irgendwann nur noch übers das Netz verkaufen würde. Das ist doch viel bequemer und schneller, die nervigen Vorläufe einer CD-Produktion fallen weg. Du kannst als Künstler einen fertiggestellten Song sofort an deine Hörer weitergeben.

Können Sie sich noch an Ihre erste Bewerbung bei einer Plattenfirma erinnern?

Klar, das war Anfang der neunziger Jahre. Ich hatte es geschafft, einen Termin beim Manager Fitz Braum von CBS-Records zu bekommen, der heute das Label der Fantastischen Vier leitet. Doch als ich dort ankam, frisch geschniegelt mit meinen Demoaufnahmen in der Hand, hatte Braum meinen Termin vergessen und war nach Amerika gereist. Beim nächsten Treffen ein paar Wochen später sagte er zu meinen Aufnahmen: "Mensch, das ist Bullenscheiße!" Na ja, das hat sich gelegt. Wenn wir uns heute treffen, amüsieren wir uns gemeinsam über diese Geschichte. Die "Bullenscheiße" war übrigens drei Jahre später unter dem Titel "Hier kommt die Maus" recht erfolgreich.

Interview: Hannes Ross, Kester Schlenz

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