Techno statt Tutu Berliner Ballett-Ensemble tanzt im Berghain

Das Staatsballett Berlin macht einen Ausflug in die Techno-Szene und tanzt im Club Berghain zu elektronischen Klängen. Die Aufführung von "Masse" ist eine Frischzellenkur für die Klassik-Compagnie.

Berlins Techno-Tempel wird zur Ballettbühne: In einer Halle des Clubs Berghain führt das Staatsballett Berlin am Samstag (4. Mai) ein neues Werk auf - eine Produktion, die eher ungewöhnlich ist für den mittlerweile legendären Ort. "Masse" nennt sich das Gesamtkunstwerk, das in einer neu erschlossenen Halle am Betonbau gespielt wird. Entstehen soll eine Mischung aus Klang und Bewegung, die das Staatsballett wohl auch nicht jeden Abend tanzt.

Zu den elektronischen Tönen von Berghain-DJs haben die Choreographinnen Xenia Wiest, Nadja Saidakova und Tim Plegge eigene Ideen entwickelt - weit weg von "Schwanensee" und "Nussknacker". Der für seine poppig-schwülen Werke bekannte Maler Norbert Bisky, Sohn des Linke-Politikers Lothar Bisky, liefert dazu das Bühnenbild.

Zehn ausverkaufte Vorstellungen

Das einstige Kesselhaus des DDR-Heizkraftwerkes am Ostbahnhof haben die Berghain-Macher zu einem Tanzraum hergerichtet, die zehn Vorstellungen sind ausverkauft. Ihre Musik beschreiben die Künstler Henrik Schwarz, Marcel Dettmann und DIN mit Worten wie "schwebende Atmosphären", "pochende elektrifizierte Gitarren" und "Rhythmus-Patterns".

Kaum ein Ort verkörpert wohl so stark die Vorstellung von Berlin als Szene-Hauptstadt wie das Berghain. Zwischen Darkroom und Panorama Bar versprechen sich erlebnishungrige Jugendliche den ultimativen Berlin-Kick. An jedem Wochenende bilden sich lange Schlangen vor dem Gebäude, der gepiercte und tätowierte Türsteher Sven Marquardt lässt die Jugendlichen vor dem Eingang zittern. Marquardt ist mittlerweile so etwas wie die Inkarnation des Berliner Nachtlebens.

Keine Berührungsängste mit der Klassik

Für das Staatsballett ist es nicht der erste Ausflug in die Techno-Szene. Mit ihrem Projekt "Shut up and Dance!" war die Compagnie schon 2007 im Berghain. Und auch der Club hat keine Berührungsängste mit der Klassik: Auf der Bühne wurde schon Oper gespielt, die Pianisten Hélène Grimaud und Francesco Tristano traten hier auf, auch der Geiger Daniel Hope.

Das Wiedereintauchen in die Szene kommt dem Staatsballett gerade recht. Vor wenigen Wochen kündigte Intendant Vladimir Malakhov an, dass er seinen Vertrag über die nächste Spielzeit hinaus nicht verlängern werde. Malakhov scheidet im Streit aus. Die Berliner Kulturpolitik ist mit ihm unzufrieden und wünscht sich mehr Modernes und ein jüngeres Publikum für die Ballett-Truppe.

Allerdings hat die Ernennung des Spaniers Nacho Duato, zur Zeit Chef am St.-Petersburger Michailowsky-Theater, auch Naserümpfen ausgelöst. Kritiker trauen dem Spanier nicht zu, dem Staatsballett ein neues Profil zu geben. Aber vielleicht schafft es das Berghain.

DPA
Esteban Engel, DPA

PRODUKTE & TIPPS