Vampire gehören für Christopher Rice zum Leben. Immer wieder begegnet er diesen seltsamen Wesen, schließlich verdient seine Mutter Geld mit ihnen, viel Geld sogar: Die Schriftstellerin gilt in den USA als Grusel-Queen. Kein Wunder also, dass Anne Rice ihrem Chris, als der ihr gestand, schwul zu sein, erst mal ihren Roman »Cry To Heaven« in die Hand drückte. Darin geht es um die Liebe zwischen zwei männlichen Vampiren, die beide kastriert sind. »Nicht ganz das, woran ich dachte«, sagt Chris und lacht.
18 Jahre war er damals; heute ist er 24 und selbst ein erfolgreicher Autor. Sein erstes Buch, der High-School-Thriller »A Density Of Souls«, der im Herbst bei Ullstein erscheint, schaffte es vor zwei Jahren gleich in die Bestsellerlisten. Anders als seine Mutter schreibt Chris jedoch nicht über Gestalten, die durch die Nacht geistern, sondern über innere Dämonen, über dunkle Geheimnisse und die Grausamkeiten, zu denen Menschen fähig sind.
Und davon gibt es in »A Density Of Souls« jede Menge. Es geht um Neid und Rache, Betrug und Mord, Liebe und Vergewaltigung. Es geht ums Erwachsenwerden und darum, ein Außenseiter zu sein. Im Mittelpunkt stehen vier Jugendliche: Stephen, Brandon, Greg und das Mädchen Meredith sind gute Freunde, bis sie gemeinsam auf die High-School wechseln. Dort aber steckt sich Meredith unentwegt den Finger in den Hals, um schlank zu bleiben. Stephen wird von seinen Mitschülern gequält, weil sie ahnen, dass er schwul ist. Und Brandon und Greg, inzwischen Mitglieder des Footballteams, sind seine größten Peiniger.
Die Geschichte der Hauptfigur Stephen ist zum Teil auch die Geschichte von Christopher Rice. Auch er ist in New Orleans aufgewachsen, auch er ist groß und blond, hat helle Haut und ein sanftes Gesicht. Und wie Stephen hat auch Chris an seiner Schule die Theater-AG geleitet. Die Gefühle eines schwulen Jungen an einer High-School kennt er nur zu gut. Zum Beispiel die Angst vor den Sportlern, den Jocks, die grausam sein können zu einem, der sich mehr für Shakespeare interessiert als für Sit-ups und nicht von blonden Cheerleadern träumt, sondern vom muskelbepackten Quarterback.
Aber damit hören die Parallelen auch schon auf: »Die Kids im Buch sind zehnmal so aggressiv wie meine ehemaligen Mitschüler«, betont Chris. Und wenn seine schwulen Freunde heute mal wieder herumjammern, wie schlecht es ihnen damals doch erging, dann sagt er ihnen: »Hey, die dicken Mädchen hatten es auch nicht viel besser!« Die High-School, glaubt Chris, sei für fast jeden eine harte Zeit. Und darüber müsse noch viel mehr geschrieben werden. Einen kleinen Trost bietet sein Buch immerhin: Stephen bekommt am Ende seinen Quarterback.
1978
Chris Rice wird in Berkeley geboren, kurz darauf zieht die Familie nach San Francisco
1984
Ein Lehrer verrät Chris versehentlich, dass er eine Schwester hatte, die an Leukämie starb; ein Thema, das Chris jahrelang beschäftigt
1988
Die Familie zieht nach New Orleans. Für Chris ein Schock: In San Francisco waren Händchen haltende Männer normal, in der neuen Stadt sieht er so etwas nicht
1998
Chris versucht sich als Drehbuchautor in Los Angeles. Als seine Mutter schwer erkrankt, reist er zu ihr und schreibt, um sich abzulenken, an einer alten Kurzgeschichte weiter. Daraus wird »A Density Of Souls«
2002
Sein zweiter Roman »The Snow Garden« erscheint
Fenja Mens, 27, ist freie Journalistin in Hamburg. Eine amerikanische High-School hat sie nie besucht, dafür ein Hamburger Traditionsgymnasium. Und das hat sie seit ihrem Abitur 1994 noch keinen Tag vermisst