Mit mehr als 252 Millionen verkauften Tonträgern gehört Taylor Swift zu den weltweit erfolgreichsten Künstlern der heutigen Zeit. Ihre Musik hat das Country- und Pop-Genre der Gegenwart nachhaltig geprägt, ihre Hits landen regelmäßig in den Top Ten der Charts und brechen jeden Rekord.
"Shakespeare sprach in seinen Werken die gleichen Fragen an, wie es Taylor Swift heute macht"
Dass hinter ihren Songs aber nochmal mehr steckt als musikalische Raffinesse, weiß eine Professorin an der Universität Gent in Belgien. Sie leitet den Literaturkurs "Literatur: Taylor's Version", der sich mit der Geschichte und dem Fußabdruck der englischen Literatur, Lyrik und Dichtung befasst. Neben Klassikern wie "Jane Eyre" von Charlotte Brontë oder "Romeo und Julia" von William Shakespeare werden in dem Wahlkurs auch – oder vor allem – die Werke Swifts analysiert und interpretiert.
Denn für die Verantwortliche des Kurses, Professorin Elly McCausland, steht fest: "Shakespeare sprach in seinen Werken die gleichen Fragen an, wie es Taylor Swift heute macht." Sie wolle den Studenten zeigen, dass literarische Texte – auch wenn sie zu Beginn unzugänglich scheinen können – zugänglich werden, wenn sie von einem anderen Blickwinkel aus betrachtet werden. Ihr Ziel: Schriftstücke aus vergangenen Zeiten mithilfe von Swifts Songs verständlich zu machen, damit sie auf einer neuen Ebene aufgeschlüsselt werden können.
Swifts Songtexte weisen inhaltliche Parallelen zu Klassikern auf
Dafür gebe es unzählige Beispiele aus der Literatur. Im Gespräch mit "The Guardian" erklärt McCausland, dass Swifts Song "The Great War" aus dem Jahr 2022 beispielsweise an ein Gedicht der US-amerikanischen Schriftstellerin Sylvia Plath erinnere, das im Jahr 1965 vom Krieg, Kampf und Schlacht erzähle, um Schmerz und Trauer zu verarbeiten. "Mad Woman" aus dem Jahr 2020 hingegen weise Parallelen zu Charlotte Perkins Gilmans Kurzgeschichte "The Yellow Wallpaper" aus dem Jahr 1892 auf, das vom Patriarchat und Themen psychischer Gesundheit handelt. "Da dachte ich mir, warum spricht man nicht darüber?", so McCausland.
Und die Idee der Professorin fruchtet. "Ich habe noch nie so viele E-Mails von begeisterten Studenten bekommen, die mich fragen, ob sie den Kurs belegen können", sagt sie. Unter den Anfragen waren sogar Interessierte, die gar nicht an der Universität eingeschrieben sind. Die Idee, Swift in den Vorlesungssaal zu bringen, ist aber keine neue. Immer mehr US-amerikanische Universitäten bringen Swift in den Unterricht, beispielsweise die New Yorker Universität, die in einem Kurs die "Anziehungskraft und Abneigung" Swifts anhand ihrer Songtexte untersucht. Was die Musikerin laut McCausland dabei ausmacht: Ihre Fähigkeit, zwischen verschiedenen Stilen zu wechseln und dabei sehr intime Texte zu verfassen, die kollektive Erfahrungen der Menschheit ansprechen.
Taylor Swift: "Meine Stimme ist nur ein Mittel, um meine Lyrics rüberzubringen"
Dass ihre Musik im Prinzip "nur" dazu dient, ihre eigenen Gefühle und Gedanken zu vermitteln, weiß Swift übrigens auch selbst. Sie selbst sagte einmal: "Meine Stimme ist nur ein Mittel, um meine Lyrics rüberzubringen." Dabei passe sie ihr Schreibwerkzeug je nach Projekt an. Mit einer Feder könne sie ein Sonett aus dem 19. Jahrhundert schreiben, mit einem Füller eine moderne persönliche Geschichte und ein Glitzer-Gel-Stift diene als Werkzeug für unbeschwerte, schwungvolle Lieder.
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Trotz all der Details, die die Herzen von "Swifties" sicherlich höher schlagen lassen werden, betont McCausland auch, dass der neue Kurs akademisch fundiert und konzipiert sei und damit auch Studierende anspreche, die die Künstlerin nicht mögen. Sie betont: "Es werden sich definitiv nicht alle Swifties versammeln, um jeden Montag drei Stunden zu fangirlen."
Quelle: "The Guardian"