"Coming Out Colton" Muckis, Weiberheld, schwul - er ist der erste "Bachelor", der sein Coming out hat

Gus Kenworthy, Colton Underwood und Michael Sam (v.l.) stehen nebeneinander
Wer auf diesem Bild ist schwul? Alle drei! Gus Kenworthy, Colton Underwood und Michael Sam (v.l.) in Teil 2 von "Coming Out Colton"
© Netflix
Colton Underwood ist groß, muskulös und männlich. Und er ist schwul. In der Netflix-Doku "Coming Out Colton" erzählt der ehemalige "Bachelor" von seinem schwierigen Coming out.

Es ist eine Heldengeschichte wie US-Amerikaner sie lieben. Colton Underwood ist ein gefeierter Footballstar und begehrter Junggeselle. Nach seiner sportlichen Karriere wird der Junge aus Indianapolis zur TV-Persönlichkeit. Er macht bei "Bachelor in Paradise" mit und obwohl – oder gerade weil – er von sich behauptet, jungfräulich in die Ehe gehen zu wollen, wird er sogar der "Bachelor" in der gleichnamigen US-Kuppelshow. Und war damit der erste Schwule auf Brautschau. Denn inzwischen hat sich Underwood als homosexuell geoutet.

Netflix erzählt die ungewöhnliche Geschichte des Mannes, der in der Öffentlichkeit immer besonders männlich wirken wollte, in der sechsteiligen Dokuserie "Coming Out Colton". Die Kamera begleitet Underwood bei Gesprächen mit seiner Familie, seinen Freunden, der Kirche und ehemaligen Footballkameraden. Es sind dramatische und rührende Momente. Sie zeigen, dass die heteronormative Gesellschaft das Erwachsenwerden eines Schwulen immer noch zur Hölle machen kann.

"Ich wusste, seit ich sechs oder sieben Jahre alt war, dass ich schwul bin", erzählt er seiner Mutter in der ersten Folge. Doch es habe ihm, der 1992 geboren wurde, an schwulen Vorbildern gemangelt. Vor allem im Spitzensport sind geoutete Männer bis heute selten. Football gilt, wie in Deutschland der Fußball, als letzte Bastion des heterosexuellen Mannes. Nur ein einziger Profi aus der NFL lebt offen schwul (Carl Nassib outete sich im Juni), kein einziger in der Bundesliga.

Die Serie zeigt Underwood, ein Bär von einem Mann mit gestählten Muskeln und Traumkörper, von seiner sensiblen Seite. Jahrelang hat er sein eigenes Selbst verleugnet. Ihn quälte die Frage: Wer bin ich? Und hatte keine Antwort darauf. In Gesprächen mit dem offen schwul lebenden Skistar Gus Kenworthy, der inzwischen zu seinen Freunden zählt, öffnet sich Underwood.

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Mit der Dokuserie liefert Netflix einen wichtigen Beitrag zum Thema Coming out im Spitzensport. Underwoods ernüchternde Aussage: Die NFL würde offiziell zwar behaupten, schwule Spieler zu unterstützen, doch das sei nicht wahr. Die Zuschauer – vor allem heterosexuelle – erhalten Einblick in die Lebenswirklichkeit eines schwulen Athleten. LGBTIQ-Personen könnte Underwood bei ihrem eigenen Coming-out ein Vorbild sein.

Colton Underwood ist ein Aktivist, aber kein Held

Die Zuschauer bleiben trotzdem an manchen Stellen ratlos zurück. Welche Szenen sind nun echt und welche nachgestellt. Oder sind wir wirklich beim ersten Gespräch Underwoods dabei, als er mit Mutter, Bruder, Vater über seine Homosexualität spricht? Unglaubwürdig. Wer die Geschichte Underwoods kennt und die Schlagzeilen um ihn und seine Ex-Freundin Cassie Randolph, wird außerdem das Gefühl nicht los, es geht dem 29-jährigen eher darum, sein öffentliches Image zu verbessern.

Zur Schwulenikone, soviel steht fest, fehlt Underwood das Quäntchen Demut. Das zeigt sich vor allem am Schluss der Dokuserie, als er mit Harvey Milk und anderen LGBTIQ-Pionieren in eine Reihe gestellt wird. Als schwuler Footballer auf Hetero zu machen ist schwer. Dafür, dass Underwood Jahre nach seiner Karriere sein Coming out hatte, gebührt ihm Respekt. Zum Helden reicht es nur fast. Die Geschichte ist trotzdem gut.

Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, kein Spieler der NFL sei geoutet. Seit diesem Jahr gibt es einen. Wir haben den Fehler korrigiert.

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