"Die letzten Glühwürmchen" 21:45 Uhr, ZDFKultur
ANIME Ich kann diesen Film nicht schauen, ohne irgendwann weinen zu müssen. Ich glaube, kein Mensch, der noch einen Funken Mitgefühl im Herzen übrig hat, kann das. Für mich ist "Hotaru No Haka" - so der japanische Originaltitel - der ultimative Antikriegsfilm. Jedem Menschen, der meint, dass Krieg vielleicht doch ultima ratio sein könnte, jedem, der müde geworden ist zuzusehen, wie sich Politiker in den Parlamenten dusselig diskutieren, wie Diplomaten mauscheln und fragwürdige Deals eingehen, dem möchte ich diesen Film zeigen. Nein, ich möchte seine Nase in diesen Film hineindrücken. "DAS ist Krieg", möchte ich ihm dann ins Ort flüstern. "Willst du DAS?"
"Die letzten Glühwürmchen" (1988) stammt aus dem Studio Ghibli - und wer die hochgelobte Anime-Schmiede nur für ihre Zeichentricks wie "Chihiros Reise ins Zauberland" oder "Prinzessin Mononoke" kennt, die trotz all ihrer traurigen und ernsthaften Momente vor allem ein Loblied auf die Fantasie singen, sei gewarnt.
In "Die letzten Glühwürmchen" gibt es keine Hoffnung. Zumindest nicht in diesem Leben. Gleich zu Beginn sehen wir einen Jungen, Seita, in düsteres, rotes Licht getaucht in völliger Dunkelheit stehen. Sein Mund ist geschlossen, aber wir hören eine Stimme aus dem Off: "Am 21. September 1945 bin ich gestorben." Seitas Geist neigt sein Gesicht zur Seite, lenkt den Blick des Zuschauers auf eine ausgemergelte Person, die an einer Säule lehnt. Es ist Seita, er stirbt gerade, inmitten von Menschen, und doch allein. Wenn Seitas Geist kurz darauf auf Setsuko trifft, seine vierjährige Schwester, die vor ihm das Leben verlor, und das kleine Mädchen in die Arme nimmt und die Glühwürmchen fliegen, gehört dieser Moment zu den berührendsten, die ich jemals in einem Film gesehen habe.
Kinder sind die ersten Opfer des Krieges, heißt es. Vielleicht könnte man es auch etwas anders formulieren: Die Kindlichkeit ist das erste Opfer des Krieges. Der Krieg raubt den Kindern die Essenz des Kind-Seins: eine Mischung aus Unschuld, unbändiger Neugier, Sorglosigkeit und dem Spaß am Spiel. Seita versucht, auch nachdem seine Mutter einen grausamen Tod in den Flammen der Bomber gestorben ist, diese Kindlichkeit für sich und seine Schwester zu bewahren. Dass er damit scheitert, scheitern muss im Angesicht des Kriegs, des Hungers und all dieser erwachsenen "Vernunft", das ist die wahre Tragik dieses Films. Und das bringt mich jedes Mal zum Heulen. Wie ein kleines Kind.
PS: Der Filmkritiker Janis El-Bira hat in der "Filmzentrale" ein paar sehr kluge Worte zu "Die letzten Glühwürmchen" geschrieben, u.a. über die völlige Abwesenheit von Hass in diesem Antikriegsfilm. Bitte lesen.
Ein TV-Tipp von Jens Wiesner, freier Autor beim stern. Wer mag, kann dem Autor hier auf Twitter oder hier auf Facebook folgen.