Zugegeben, wer sich den ganzen Tag bereits das volle Covid-Brett reingezogen hatte, für den wirken die Anfangssequenzen der zweiten Folge von "The Masked Singer" möglicherweise furchteinflößend futuristisch. Menschen in Hoodies und mit Masken vorm Gesicht werden von grimmig dreinschauenden Bodyguards in Autos verbracht: Noch zwei, drei Tage und das Corona-Cornern hierzulande wird möglicherweise genau auf diese Art beendet.
Die Nachrichtenlage beiseite gelassen – und auch die Tatsache, dass alles mit Masken-Bezug in diesen Tagen latenten Hab-ich-noch-genug-Klopapier-Impetus auslöst –, dauert es nur ein paar Sekunden und man fühlt sich schon ein ganzes Stück sicherer. Wie Matthias Opdenhövel, das charmante Schweizermesser unter den Moderatoren, sein Publikum abholt, das sich nach einem anstrengenden Tag zwischen Lockdown-Vorahnung und Outbreak-Orga auf ein wenig Entspannung freut, ist mittlerweile von einer augenzwinkernden Verbindlichkeit, wie sie einst nur Kuli und Frankenfeld drauf hatten.
"The Masked Singer": Opdi? Matti? Hövchen?
Dabei bietet auch Opdenhövel zunächst einmal Krisen-Infos, denn angesichts der Lage hat ProSieben – natürlich – auf Studiopublikum verzichtet. Klingt angesichts der irren Deko, den dräuenden Darbietungen, als wäre es das Beste, was einem Publikum hier passieren könnte – nicht anwesend zu sein –, aber Opdenhövel, den man so gern mit einem liebevollen Kosenamen bedenken möchte, nur was könnte das sein … Opdi? Matti? Hövchen? – der Opdenhövel jedenfalls hat Ersatz parat. Der Applaus, den man vom Band hört, das ist nämlich der Applaus aus der Sendung der Vorwoche. "Alles original", jubelt Opdi und klingt dabei ein wenig wie die Damen einst in der Herbertstraße. "Hier, Jung, kannste mal anfassen. Alles echt. Alles original."
Alles original auch bei der Jury: Die zumindest einfallsreiche Analyse-Kompetenz eines Elton, die freidrehende Begeisterungsfähigkeit für noch den schiefsten Ton einer Ruth Moschner, dazu Universalschlüssel Rea Garvey, der unter jedem zweiten Kostüm einen seiner vielen Freunde vermutete.
Gesungen wird natürlich auch, und wie: Die Kakerlake bietet ein Rap-Potpourri, als hätten die Fanta Vier ein Stück aus "Naked Lunch" vertont, das Faultier singt mit einer Stimme, gegen die man sich am liebsten auch impfen lassen würde. Die Verdachtsmomente rangieren zwischen Angelo Kelly, Rea-Kumpel Sasha, Elton-Kumpel Raab und Luke Mockridge. Es folgt das Chamäleon mit einer italienischen Schnurre zwischen Adriano Celentano und Didi Hallervorden, die güldene Göttin mit "Rise Like A Phoenix". Zwischendurch gibt es Scherze über Opdis Körpergröße, die irgendwo zwischen 1,44 und 1,86 liegen soll, vermutet die Jury Kandidatinnen wie Dunja Halali, Babs Schöneberger und Maren Kroymann unter der göttlichen Maske.
Der Sog reißt mittlerweile alles mit sich
Spätestens, als der Wuschel kommt, merkt man, dass das, was man zunächst noch für einen Anschlag auf alle Sinne gehalten hatte, nun fast so etwas wie Unterhaltung bietet. Wo sonst sieht man eine übergroße Kondomspitze mit Haaren, dazu Augen wie Bart Simpson, der von seinem Vater gewürgt wird? Wuschel heißt die Teletubbie-Mutation und die bewegt sich bei mittlerer Größe derartig wendig um die eigene Achse, dass eigentlich nur ein Rolli-Fahrer drunter stecken kann. Die Jury steht vor einem Rätsel, bringt die Namen Ross Anthony, Julien Bam und Thomas Hackenberg ins Spiel.
Der Sog, den der Wahn auch ohne vogelwildes Publikum nun entfacht, reißt mittlerweile alles mit sich. Für einen kurzen Moment wird einem gewahr, dass Rea und Elton am St. Patrick’s Day in irischem Partnerlook gehen, Elton in schwarz, Rea mit Altölflecken (?) auf dem Sweater. Es folgt noch eine Fledermaus, die Jacksons "Beat it" derart in Schieflage bringt, dass die Jury meint, es könne sich doch nur um Franziska Knuppe handeln, was sich wenig später tatsächlich als richtig erweist. Bevor die sich aber am Ende demaskiert und völlig verschwitzt ein weiteres Mal durch anderthalb Strophen des Songs radebricht, gibt es noch einen Drachen, der Soundgardens "Black Hole Sun" mit Lordi kreuzt, einen Hasen, dem man die Ohren langziehen möchte und einen Roboter, den Elton für Marta Jandová von Die Happy hält. Alles original.