Mit einer Aktion, die innerhalb weniger Tage unter dem Hashtag #verafake berühmt-berüchtigt wurde, enthüllte Jan Böhmermann, wie RTL die Kandidaten für seine Sendung "Schwiegertochter gesucht" rekrutiert und mit diesen umgeht. Eine ehemalige Redakteurin der Sendung verteidigt nun in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" das Format und schildert, dass es zumindest während ihrer Zeit bei der Produktionsforma zu keiner Manipulation der Charaktere gekommen sei. "Wir haben den Leuten nichts in den Mund gelegt oder im Nachhinein ihren Charakter verändert. Aber wir haben im Vorfeld schon sehr genau nach Protagonisten gesucht, die in das Bild passen, das wir wollten", gesteht sie ein.
Dabei sei die Auswahl der Kandidaten manchmal von bizarren Faktoren abhängig gewesen, wie die ehemalige Redakteurin, die anonym bleibt, schildert. "Bei einigen Sendungen war die Zielgruppe weiblich, da waren Pastellfarben gern im Bild gesehen. Also lieber Blümchentapete als braune Schrankwand. Im schlimmsten Fall konnte das sogar ein Auswahlkriterium sein", heißt es in dem Beitrag.
#verafake durchaus möglich
Dennoch weist sie den Vorwurf, die Handlungen bei "Schwiegertochter gesucht" seien durch Drehbücher festgelegt, zurück. Man inszeniere nichts, beteuert sie.Dass es zu einer Platzierung eines "falschen" Kandidaten in der Sendung kommen konnte, wie es Jan Böhmermann offenbar gelungen ist, hält sie aber für möglich. "Wer sollte das auch kontrollieren? Bei uns gab es nie eine Instanz, die gesagt hat "Das und das geht aber nicht".
Ganzes Leben in ein paar Minuten gepresst
Doch der Spielraum, die Teilnehmer in ein bestimmtes Licht zu rücken, sei auch ohne bewusste Fälschungen groß. Die Lebensgeschichten der Protagonisten würden rigide in das Format gepresst, schildert die ehemalige Redakteurin weiter. "Wir hatten mal eine Protagonistin, deren besondere Eigenschaft ihre Schüchternheit war. Alles andere an der Person wurde dann aber ausgeblendet."
Wie "krass" die Biografien der Kandidaten auf ein paar Sendeminuten runtergekürzt würden, sei den Teilnehmern aber im Vorfeld gar nicht bewusst. Auch die "Macht des Mediums" könnten die Bewerber nicht einschätzen. Den Kandidaten die Schuld an einer möglichen Bloßstellung zu geben, sei daher nicht richtig, findet die anonyme Redakteurin. "Oft sehen die Protagonisten sich selbst anders als der Zuschauer: Manche finden ihren Auftritt im Fernsehen gut, während das Publikum ihn peinlich findet."