Anne Will "Schweigen ist eines der stärksten Mittel"

Vor genau zwei Jahren moderierte Anne Will ihren ersten Sonntagabend-Talk als Nachfolgerin von Sabine Christiansen. Im Interview verrät die Journalistin einige ihrer Tricks - und erzählt, weshalb sie von Kanzlerin Angela Merkel enttäuscht ist.

Frau Will, in unserer Gesellschaft wird ständig gesprochen, gequasselt, gefaselt, gesmalltalkt. Schweigen wird häufig als bedrohlich empfunden. Warum ist das Reden eigentlich so wichtig?
Weil der Mensch das kann. Ich glaube nicht, dass irgendein Tier sich ähnlich facettenreich verständigen kann.

Sie wirken sehr kontrolliert, wie jemand, der seine Worte sehr genau abwägt.


Wenn ich in der Öffentlichkeit spreche, muss ich mir überlegen, was ich sage. Privat quassele ich gern los, Sie können es glauben oder nicht.

Wie ist es in Ihrer Talksendung: Wann schweigen Sie und lassen jemanden reden, wann fahren Sie ihm in die Parade? Sind Sie immer sicher, was das Beste ist?


Bin ich nicht. Dafür kenne ich viele meiner Gesprächspartner zu wenig. Ich verlasse mich auf mein Gefühl, mein Zeitempfinden. Wenn ich merke, da redet jemand einfach zu lange, kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen, muss ich dazwischengehen.

Männer neigen nach meiner Erfahrung mehr als Frauen dazu, viel und lange zu reden, um sich Präsenz zu verschaffen, Dominanz zu zeigen.


Kann ich so nicht sagen. Ich denke, das ist eher eine Typfrage. Es gibt auch raumgreifend redende Frauen.

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Politiker nerven immer wieder mit Worthülsen und Versatzstücken. Wie brechen Sie das auf?
Das Beste ist, kurze und präzise Fragen zu stellen. Eine gute Taktik kann auch sein, dieselbe Frage mehrfach zu wiederholen, wenn die Antwort unbefriedigend ist. Aber ich gebe mich nicht der Illusion hin, aus einem Spitzenpolitiker plötzlich vollkommen neue Sätze herausholen zu können.

Die Bundeskanzlerin ist besonders schwer aus der Reserve zu locken. Ihr Schweigen zu wichtigen Themen, etwa über längere Zeit zu der Zukunft von Opel, ist schon fast ein Topos.


Das Schweigen der Bundeskanzlerin ist eine vielschichtige Angelegenheit: Wenn sie zu lange wartet, erweist sie sich unter Umständen als nicht führungsstark und macht sich angreifbar. Andererseits kann es klug sein, bei bestimmten Themen erst einmal abzuwarten. Ich glaube, dass die Kanzlerin mit ihrem Stil mal gut, mal weniger gut liegt.

Wünschten Sie sich klarere Worte von der Kanzlerin?


Ich hätte mir in diesen Krisenzeiten eine wirklich große Rede von Angela Merkel gewünscht. Es gibt nicht mal einen Satz, an den man sich Tage und Wochen später erinnert. Mir fällt nur dieser ein: "2009 wird ein Jahr schlechter Nachrichten."

Vor einiger Zeit hatten Sie die Kanzlerin in Ihrer Sendung zu Gast. Zunächst wirkte Merkel recht unsicher, später hat sie sich gefangen und gut gekontert. Ein Kollege hat hinterher über Sie geschrieben: "Süffisantes Lächeln, Selbstsicherheit bis zum Hochmut". Haben Sie sich darüber geärgert?
Nicht wirklich. Andere Kritiker haben die Sendung ganz anders bewertet und sie ausdrücklich gelobt. Mit der meistgesehenen politischen Talkshow im deutschen Fernsehen ist es ähnlich wie beim Fußball: Jeder hat dazu eine Meinung und tut die kund. Und das finde ich auch völlig in Ordnung.

Müssen Sie sich in Ihrer Sendung eigentlich sehr am Riemen reißen, um nicht Ihre eigene Meinung zu einem Thema zu sagen?


Ich muss mich vor allem bremsen, nicht zu argumentieren, was ich sehr gern tue. Aber das ist nicht mein Part in der Sendung.

Zur Person:

Anne Will wurde 1966 als Tochter eines Architekten in Köln geboren. Nach dem Abitur studierte sie Geschichte, Politik und Anglistik. Sie volontierte beim Sender Freies Berlin. 1999 führte sie als erste Frau durch die "Sportschau", von 2001 bis 2007 moderierte sie die "Tagesthemen". 2007 übernahm Anne Will von Sabine Christiansen die ARD-Polit-Talkshow am Sonntagabend. Die Journalistin bekam diverse Preise, unter anderem die Goldene Kamera und den Deutschen Fernsehpreis.

Kann man als Moderatorin und Nachrichtenfrau auch mal vor laufender Kamera schweigen?
Schweigen ist für mich eines der stärksten Mittel im Fernsehen überhaupt. Ich habe das in den "Tagesthemen" oft gemacht, zum Beispiel nach Beiträgen, die sehr berührend, sehr emotional waren. So konnten die Zuschauer einen Moment innehalten, ihren Gedanken nachhängen.

Empathie und Mitgefühl - kann man das lernen? Oder hat man diese Eigenschaften oder eben nicht?


Man kann es lernen, indem man seinem Gegenüber sehr genau zuhört. Wichtig ist, den anderen nicht zu treiben, indem man zwischendurch ständig beifällig "stimmt" oder "ja" sagt. Das hilft ihm nicht, seine Gedanken in Ruhe zu fassen.

Hatten Sie manchmal Ängste, dass Ihnen vor laufender Kamera die Stimme wegbleibt, Sie ins Stottern kommen, sich verfransen?


Nein. Ich weiß, dass ich mich auf mich verlassen kann. Wichtig ist es, in solchen Situationen die Kurve zu kriegen. Mir ist es in meiner Sendung allerdings schon passiert, dass ich jemanden mit falschem Namen angesprochen habe. Ich habe mich sofort korrigiert. Trotzdem macht man sich für kurze Zeit zum Horst - wie man bei uns zu Hause sagt.

War es schlimm für Sie, als im letzten Jahr bei Ihnen in einem Beitrag missverständliche Zahlen über die finanzielle Lage Berlins genannt wurden und Sie sich dann in der nächsten Sendung entschuldigen mussten?


Nein. Auch im normalen Leben entschuldige ich mich, wenn ich einen Fehler mache.

Das komplette Interview lesen Sie in der aktuellen BRIGITTE WOMAN.

Interview: Franziska Wolffheim

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