Talk bei "Anne Will" Wer ist Schuld am Milliarden-Loch im Bundeshaushalt? Bei Ampel-Parteien und Opposition liegen die Nerven blank

  • von Charlotte Zink
Bei "Anne Will"
Alexander Dobrindt (CSU) und "Spiegel"-Journalistin Melanie Ammann bei "Anne Will": Der Unions-Politiker macht der Ampel schwere Vorwürfe
© NDR / Wolfgang Borrs
Bei "Anne Will" lagen Sonntagabend die Nerven blank. Grund dafür war das 60 Milliarden-Loch im Finanzplan der Apel. Besonders die Opposition redete sich tüchtig in Rage.

Wäre der Ort der Diskussion ein Spielplatz und nicht das "Anne Will"-Studio gewesen, hätten sich die Anwesenden am Ende wohl fäusteweise Sand ins Gesicht geschmissen. So blieb es bei Anschuldigungen im Ping-Pong-Takt – und bei wildem Durcheinanderreden.

Stein des Anstoßes war die Frage, die Anne Will am Sonntagabend zur Diskussion stellte: "Ampel im Milliarden-Loch – Zerbricht die Regierung daran?"

Zur Erinnerung: Am Mittwoch hatte das Bundesverfassungsgericht die Verwendung von Corona-Krediten für Klimaprojekte als verfassungswidrig bewertet und so ein 60 Milliarden Euro großes Loch in die Finanzierung von Klimaprojekten gerissen.

Noch offen ist, ob das Urteil auch Folgen für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen in Bund und Ländern haben könnte.

Diese Gäste diskutierten bei "Anne Will":

  • Katrin Göring-Eckardt, Bundestagsvizepräsidentin, Bündnis 90/Die Grünen
  • Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef 
  • Johannes Vogel, stellvertretender FDP-Bundesvorsitzender
  • Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts
  • Melanie Amann, Leiterin Hauptstadtbüro "Der Spiegel"

Dobrindt wirft Ampel Untätigkeit vor

Die ersten Fäuste mit Sand pfefferte am Sonntag CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Bei dem Urteil handele es sich um die "Kernschmelze des Koalitionsvertrages", holte er aus. Seine knallharte Analyse: Den Ampel-Parteien habe es aufgrund unterschiedlicher Interessen an einem gemeinsamen Projekt gemangelt. Zu "Kompagnons" seien sie deswegen über den "Trick" geworden, mit dem sie die Schuldenbremse "betrogen" hätten. 

Angesichts der Entscheidung des Verfassungsgerichts warf er der Koalition vor, untätig zu bleiben und den neuen Haushalt zu diskutieren, als ob nichts gewesen sei, anstatt nach Einsparmöglichkeiten zu suchen. Die sah Dobrindt beispielsweise bei der Kindergrundsicherung oder dem Bürgergeld gegeben. "Wir müssen zu sauberer Finanzpolitik zurückkehren", forderte der CSU-Mann.

Göring-Eckardt feuert zurück

Antworten bekam Dobrindt von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Auch wenn die es in der aufgebrachten Runde nicht immer leicht hatte, sich Gehör zu verschaffen. "Herr Dobrindt, vielleicht geht es auch eine ganz kleine Nummer kleiner", versuchte es die Grünen-Politikerin. Sie verwies darauf, dass auch Vorgängerregierungen bereits die Schuldenbremse ausgereizt und verändert hätten. Auch Nebenhaushalte seien nichts Ungewöhnliches.

Den Vorwurf der Untätigkeit wies Göring-Eckardt von sich: "Natürlich müssen wir uns das anschauen!", erklärte sie mit Blick auf das Urteil. Auch von Dobrindt erwarte sie, dass er sich Gedanken mache, wie die Zukunft der Industrie aussehe. Schließlich gehe es nicht nur um "ein paar nette, kleine Klimaprojekte", sondern "den Kern" der Wirtschaft in Deutschland.

Mit Blick auf Dobrindts Einsparvorschläge kritisierte sie: "Kein Klimageld und den Armen noch mehr wegnehmen, das ist Ihre Idee."

Vogel fordert "gemeinsame Demut"

An der Seite der Grünen, wenn auch nicht immer auf dem gleichen Kurs, argumentierte am Sonntagabend FDP-Mann Johannes Vogel. Konfrontiert mit Dobrindts Verbalattacken setzte Vogel ganz auf die "Die anderen haben das auch gemacht"-Strategie. Man müsse das Urteil "mit Demut" annehmen und gleichzeitig anerkennen, dass es auch das Handeln der Vorgängerregierung korrigiere, erklärte der FDP-Mann.

An Dobrindt gerichtet führte er aus, es sei "vielleicht allgemein ein kleines bisschen gemeinsamer Demut angezeigt". Schließlich sitze der CSU-Mann in der Runde als Vertreter der Partei, dessen Coronamaßnahmen als einzige von einem Landgericht einkassiert worden seien, weil sie gegen die Freiheitsrechte der Bürger verstießen. "Was ist denn das jetzt für eine Ausweichbewegung?", fragte Dobrindt irritiert.

Dobrindt wehrt sich bei "Anne Will"

Auch wenn die Stimmung im Studio bereits suggerierte: Das wird wohl so schnell nichts – Anne Will wollte von ihren Gästen dennoch wissen, ob denn die Möglichkeit bestehe, dass Koalition und Opposition an einem Weg aus der schwierigen Situation zusammenarbeiten.

Es scheine der Glaube zu bestehen, dass die Union die Lösung für "das große Problem der Ampel" sei, kommentierte Dobrindt und machte deutlich, dass er dafür zu gegebenen Bedingungen nicht zu haben sei.

"Das glauben wir ganz sicher nicht!", korrigierte Göring-Eckardt schnell. "Bei dem Auftritt nicht!"

cl