Talk bei "Anne Will" "Wir stehen zu Ihnen, was wollen Sie noch mehr hören?": Politikwissenschaftlerin zofft sich mit Israels Botschafter

  • von Charlotte Zink
Hoda Salah (3. von links) und Israels Botschafter Ron Prosor (2. von rechts) geraten bei "Anne Will" aneinander
Hoda Salah (3. von links) und Israels Botschafter Ron Prosor (2. von rechts) geraten bei "Anne Will" aneinander
©  NDR/Wolfgang Borrs
Israels Botschafter in Deutschland ist bei "Anne Will" mit einer Politikwissenschaftlerin aneinandergeraten. Der hatten ursprünglich alle Kollegen abgeraten, überhaupt erst in die Sendung zu kommen, wie sie unverblümt erklärte.

Gut zwei Wochen nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel bleibt die Lage explosiv. Israel verteidigt sich mit Bombardements und bereitet weiter eine Bodenoffensive im Gazastreifen vor. Noch immer sind dort mehr als 200 verschleppte Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas. Die humanitäre Situation wird derweil immer dramatischer. Auch nach dem Eintreffen erster Hilfsgüter droht sich die Lage der Menschen im Gazastreifen weiter zu verschlechtern. Anne Will diskutierte am Sonntagabend mit ihren Gästen die Frage: Neuer Krieg in Nahost – gibt es noch einen Ausweg?

Die Gäste:

  • Ron Prosor, Botschafter des Staates Israel in Deutschland
  • Norbert Röttgen (CDU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss
  • Florence Gaub, Politikwissenschaftlerin, Direktorin des Forschungsbereichs am NATO Defense College in Rom
  • Yassin Musharbash, Journalist, Autor und stellvertretender Leiter des Investigativressorts "Die Zeit"
  • Hoda Salah, Politikwissenschaftlerin
  • Arye Sharuz Shalicar, Sprecher des israelischen Militärs

Besonders in den Fokus rückte dabei eine Debatte zwischen Politikwissenschaftlerin Hoda Salah und Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor. Denn: Beide rasselten schon nach Salahs erstem Redebeitrag aneinander.

Die Politikwissenschaftlerin mit Wurzeln in Ägypten, die jüngst für die "taz" mit Menschen im Gazastreifen sprach, kritisierte gleich zwei Punkte, die in der Diskussion ihrer Meinung nach falsch dargestellt worden waren.

Zum einen stimme es nicht, dass arabische Staaten sich nicht mit Israel solidarisiert hätten, bemängelte Salah. Darüber hinaus kritisierte sie, dass Israel Araber mit einer "kollektiven Strafe" belege.

Das komme einer "Verblendung" gleich, da die Menschen in Gaza selbst unter der Hamas litten und viele "Wut und Solidarität" gegenüber der israelischen Bevölkerung empfänden, so Salahs Kritik.

"Anne Will": Ron Prosor und Politikwissenschaftlerin Hoda Salah geraten aneinander

Prosor entgegnete aufgebracht: "Das ist wieder diese Verharmlosung!" Arabische Staats- und Regierungschefs hätten den "barbarischen Anschlag" auf Israel nicht mit deutlichen Worten verurteilt, wie von Salah behauptet, so der Botschafter. "Die Hamas ist eine Terrororganisation", stellte er klar.

"Natürlich", pflichtete Salah ihm sofort bei und fügte hinzu: "Wir stehen zu ihnen, wir stehen zu ihrer Bevölkerung, was wollen Sie noch mehr hören?"

Prosor ging auf diese Einwürfe nicht ein. Für Frieden im Nahen Osten müssten Soldaten Israels den Preis bezahlen und "die Nachbarschaft schaut zu", so seine Einschätzung der Lage.

Unterstützung bekam Prosor vom Sprecher des israelischen Militärs, Arye Sharuz Shalicar, der aus Israel zugeschaltet war. "Ich finde es traurig und fast schon skandalös, was ich mir gerade anhören musste", erklärte Shalicar mit Blick auf Salahs Vorwurf einer "kollektiven Strafe" für Araber.

Seit neun Tagen rufe Israel Menschen in Gaza auf, sich an sichere Orte zu begeben. Was ein jüdischer Staat denn noch machen müsse, um zu zeigen, dass es um die Bekämpfung von Terrorismus gehe und nicht um Zivilisten, fragte Shalicar.

Zwischen die beiden Fronten stellte sich bei "Anne Will" am Sonntagabend Journalist Yassin Musharbash. Er verstehe, dass Prosor eine klare Solidarisierung der arabischen Staaten mit Israel vermisse, sagte er an den Botschafter gewandt.

Es sei jedoch nicht so, als würden 260 Millionen Araber inklusive aller arabischen Staatschefs aufgrund des Angriffs auf Israels derzeit ein Freudenfest feiern, stellte er klar.

Politikwissenschaftlerin wurde von Teilnahme an Sendung abgeraten

Sorge davor, die Diskussionsrunde mit einem blauen Auge zu verlassen, hatte am Sonntagabend Politikwissenschaftlerin Salah.

Sie gab ganz offen zu, dass viele Kollegen ihr von ihrem Talkshow-Auftritt bei Will eigentlich abgeraten hatten.

"Sie haben mir gesagt, Hoda, komm nicht zu diesem Programm, das ist Selbstmord." Denn viele Wissenschaftler fürchteten bei Diskussionen über Israel entweder als Antisemit abgestempelt zu werden oder zu hören zu bekommen, dass sie die Lage nicht verstehen.

Zum Ende der Sendung nutzte Salah die Gelegenheit für eine deutliche Solidaritätsbekundung. "Ich möchte, dass jeder Jude hier in Deutschland in Sicherheit lebt", sagte sie und erntete zustimmendes Nicken von Prosor.

In der Bundesrepublik und auf der Welt gebe es keinen Platz für Antisemitismus, so die Wissenschaftlerin.

rha

PRODUKTE & TIPPS

Kaufkosmos