In der deutschen Gastronomie arbeiten fast zwei Millionen Menschen, doch wenn eintrifft, was Arbeitsminister Hubertus Heil mutmaßt, dann wird es am Ende der Coronakrise nur noch einen Teil dieser Jobs geben. Anderthalb Jahre werde uns die Pandemie noch beschäftigen, sagte der SPD-Mann jetzt in der ZDF-Sendung "Markus Lanz". Anders gesagt: Volle Restaurants und gut gefüllte Cafés werde es so schnell nicht wieder geben – eine Aussicht, die TV-Koch und Gastronom Tim Mälzer vor laufender Kameras den Tränen nahebringt.
"Der kleine Landgasthof ist quasi durch"
"Wir stehen unter enormem Stress", sagte der sichtlich angefasste Hamburger. Es gehe nicht allein um seine Existenz, sondern um eine Branche und um "Mitarbeiter, für die ich eine Verantwortung habe", so Mälzer. Fast 200 Leute beschäftigt er in seinen beiden Restaurants und seiner Cateringfirma. Zwar schieße er gerade Geld zu, um die laufenden Kosten zu decken, doch er selbst habe zumindest Möglichkeiten: "Ich habe mehrere Läden, ich bin Fernsehkoch, ich bin in einer Großstadt mit 1,8 Millionen potenziellen Gästen angesiedelt. Das hat der kleine Landgasthof nicht. Der ist quasi durch", erklärt Mälzer.
Arbeitsminister Heil, der ins Studio zu Markus Lanz zugeschaltet war, versuchte mit ein wenig Empathie auf Mälzers schockierte Reaktion einzugehen: "Ich bin kein kalter Hund, Herr Mälzer, und wollte Ihnen damit nicht zu nahe treten", sagte er. Und, dass er die Ungeduld verstehe, schließlich gehe es um viele Existenzen, nur leider sei er als Arbeitsminister für die Situation der gesamten Gesellschaft verantwortlich.
Auch von Lauterbach keine guten Nachrichten
Auch der ebenfalls anwesende SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kann den Gastronomen nur wenig Mut machen: Ein Restaurant mit 80 Prozent besetzten Tischen halte er für absolut unmöglich, sagte Heils Parteikollege. So ernüchternd diese Aussagen auch sein mögen, immerhin sind sie deutlich. Mälzer: "Lieber ein Verbot oder eine Ansage, zu der ich mich positionieren und einen Plan entwickeln kann", sagte. Er sei es mittlerweile leid, ständig neue Konzepte zu entwickeln, ohne zu wissen, wie es weitergehe.
"Wenn ich höre, dass wir hier über ein bis eineinhalb Jahre sprechen, frage ich mich, warum soll ich mich jetzt durchbeißen?", so Mälzer. Von seinen eigenen Restaurants könne er die "Bullerei" in der Hamburger Sternschanze wohl durchkriegen, bei den anderen Läden müsse er überlegen, sie nicht besser zuzumachen. Unterkriegen lassen aber will sich der bekannte Küchenchef nicht und feilte schnell mit Hubertus Heil an Lösungen: "Ihr zahlt gesichert ein Jahr lang Kurzarbeitergeld, auch wenn das Personal arbeitet, dadurch können wir die nötigen 40 Prozent aufstocken."
EIn Drittel überlebt die Coronakrise nicht
Der Gastro-Branchenverband Dehoga befürchtet, dass von den rund 220.000 Hotel- und Gastronomiebetrieben etwa 70.000, also ein Drittel aufgrund der Coronakrise Pleite gehen könnten. Laut Bundesarbeitsministerium sind 98 Prozent der Angestellten in Kurzarbeit. Die Sorgen von Tim Mälzer und seinen Kollegen sind also mehr als berechtigt.