"Aber warum?" Vanessa Neigert wollte ihr Ausscheiden aus der Endrunde von "Deutschland sucht den Superstar" (DSDS) nicht wahrhaben. Das von Moderator Marco Schreyl schleunigst vorgehaltene Mikrofon konnte nur noch verwirrtes Schluchzen aufzeichnen: Die rosarote Petticoat-Welt der jungen Nürnbergerin brach zusammen.
Wer nach den zwischenzeitlich gezeigten unterirdischen RTL-"Comedy"-Sendungen überhaupt noch die Kraft aufbrachte, sich das Ende dieses DSDS-Abends anzusehen und den zähen Abzählreim des Moderators überstand, konnte tatsächlich noch was erleben: Tränen, Schluchzen, Verwirrung - das tumultartige Finale einer allzu glatten Show.
Bei Shows ist es ja meistens so: Am Ende kommt der große Knaller. Bis dahin bleibt genügend Zeit, den Zuschauern einen bunten Abend zu bieten und - im Fall des Privatfernsehens - Werbekunden viel Sendezeit zum Bebildern der Pinkelpausen einzuräumen. Allerdings gehört zu einer klassischen Dramaturgie auch, dass vor dem furiosen Finale etwas passiert, Spannung aufgebaut wird. Gelegentliche Höhepunkte einzustreuen, wäre da gar nicht schlecht.
Maximale Beliebigkeit
Nicht so bei DSDS: Für die fünfte Mottoshow entschieden sich die Verantwortlichen für maximale Beliebigkeit und wählten die Themen "I love you" und "Aktuelle Hits": Die Kandidaten tummelten sich dabei im Mittelmaß und selbst der konfliktfreudige Oberjuror Bohlen konnte in seinem Schlusswort weder Tief- noch Höhepunkte feststellen.
Und das, obwohl man bei RTL zuvor einige Mühe darauf verwandt hatte, die Nachwuchs-Sänger in entsprechende Schubladen zu stecken: Dominik ist der "Herzensbrecher", Benny ein "Paradiesvogel" und Daniel ein "pretty Boy", die Mädchen sind unterteilt in "Schlagerkönigin" (Vanessa), "Das blonde Gift" (Annemarie) und "Diva" (Sarah). Aber es blieb bei diesen Schauspiel-Schablonen, die DSDS-Kandidaten wollten sich einfach nicht an das Drehbuch halten.
Rollenwechsel bei Annemarie
Annemarie Eilfeld hatte in den letzten Wochen einiges um die Ohren. Wochentags entblätterte sie sich auf den Seiten einer "großen Boulevardzeitung", intrigierte angeblich hinter den Kulissen unter ihren Kollegen und am Wochenende zog sie deswegen den Groll der Fernsehgemeinde auf sich. Diesmal wagte sie einen Wechsel vom Rollenfach "Oberzicke" in die Rubrik "einsame Sensible" und offenbarte tränenerstickt: "Ich bin nicht so stark".
Ihren Eltern widmete die 18-Jährige ihre Version von Pinks "Nobody Knows" und begründete das mit der evolutionären Erkenntnis, dass sie ohne ihre Eltern nicht da wäre. Entsprechend präsentierte sie sich auch nicht als biologisches Wunder: schlichter Auftritt in einem schlichten Kleid, einhelliges Lob der Jury. Für ihren zweiten Auftritt verwarf sie den kurzzeitigen Image-Ausflug und kostümierte sich als ein in Frischhaltefolie eingewickeltes Knallbonbon. Mit ihrem "Just Dance" von Lady GaGa inspirierte sie den ansonsten auf Harmonie gestimmten Dieter Bohlen zu einem kurzen Exkurs über Abwrackprämien und billige Kopien.
Rührselige Reden, weiche Widmungen
Das für die Show gewählte Motto "I love you" gab reichlich Gelegenheit für rührselige Widmungen und sentimentale Dankesreden. Benny Kieckhäben adressierte seinen Beitrag an seinen Ex-Freund ("ein wischtischer Mensch für misch") und nahm sich mit seinem eigenwilligen Akzent des deutschen Texts von "Und Wenn Ein Lied" von den Söhnen Mannheims an. Daniel Schumacher sang James Morrisons "You Give Me Something" für seine Familie und wurde dafür von der Jury zumindest verbal schon ins Finale durchgewunken. Tränenreich fiel die Zueignung von Vanessa Neigert aus, die für ihre Mama den 50er-Jahre-Schlager "Liebeskummer lohnt sich nicht" von Siw Malmquist ausgesucht hatte und diesen stilecht im Pettycoat vortrug. Sarah Kreuz gab in ihrem wehenden weißen Kleid sogar die Marilyn Monroe, als sie Nat King Coles Klassiker "Unforgettable" allein für ihren Freund sang. Dagegen widmete Dominik Büchele seine Version des Ich+Ich-Songs "Stark" gleich seinem ganzen Heimatdorf Kappel-Grafenhausen. "Mein Auftritt war jetzt nicht so sehr interessant", kommentierte der 18-Jährige seine Darbietung selbstkritisch. Dieter Bohlen wurde deutlicher: "Bei deiner Valium-Show implodieren mir die Ostereier".
Der zweite Durchgang mit den "aktuellen Hits" geriet zu einer langweiligen Nummernrevue durch die Radio-Charts: Dominik sang sich brav durch "Wire To Wire" von Razorlight, Daniel hatte sich mit "Allein allein" von Polarkreis 18 erstmals ein deutsches Lied ausgesucht. Im Gegensatz zu Annemaries Lady GaGa-Outfit punktete Benny bei der Jury als Disco-Queen mit Ne-Yos "Closer". Vanessa erschien für ihre Rosenstolz-Covernummer "Gib mir Sonne" aus schleierhaften Motiven im Matrosenkostüm und Sarah lenkte in ihrem engen rosa Kleid ab von ihrer Textschwäche bei Beyoncés "If I Were A Boy".
Am Ende war für "Schlagerkönigin" Vanessa Neigert am Ostersamstag Endstation. Da half selbst Dieter Bohlens Aufruf an die Freunde des deutschen Schlagers nichts mehr, für die junge Nürnbergerin anzurufen. Sie taten es offenbar nicht. Vielleicht war es kurz vor Mitternacht auch einfach schon zu spät für sie.